Erlebnisbericht - Winterraumwoche im goldenen Herbst 2018 – Lechquellengebirge

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Miri_87
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Erlebnisbericht - Winterraumwoche im goldenen Herbst 2018 – Lechquellengebirge

Beitrag von Miri_87 » 5. Nov 2018, 17:23

1.Tag: (Aufstieg Biberacher Hütte)

Kurz nach der Schließung zur Sommersaison 2018 zogen wir zu dritt los ins Lechquellengebirge. Unser erstes Basislager sollte die Biberacher Hütte sein. Die wir mit jeweils über 20 Kilo Marschgepäck erreichen wollten. Für den Aufstiegs-Tag waren die Wetteraussichten noch nicht so optimal, es könnte sogar Regen geben. Dieser blieb zum Glück aus, dafür gab es Nebel, sodass wir die Hütte erst sehr spät am Horizont auftauchen sehen konnten.
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Wir freuten uns riesig, als klar war, dass dort bisher noch keiner war, und wir unseren Inhalt der großen Rucksäcke ausgiebig verteilen konnten. Danach begann die freudige Erkundung der Hütte (ein Handrührgerät ist auch vorhanden) bis hin zum Schneemannbauen. (mit dem wenigen ersten Schnee, der gefallen war)
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Als das Feuer im Ofen zu knistern und lodern begann, war es, wie als tauchte man in eine andere Welt ein. Weit weg vom Alltag und dem Stress der Wochentage. Alles war so friedlich und gemütlich. Wir genossen den ersten Abend in der warmen Stube vollkommen alleine, kochten fröhlich unser Abendessen, besprachen den nächsten Tag und schafften sogar mehrere Runden „Qwirkle“. Ein witziges Spiel, was für eingefleischte Strategiker sicherlich das Richtige wäre ;)

2.Tag: (Gipfeltag)
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Nach einer ungewohnten kalten Nacht, ging es schon recht früh los auf unseren 1. Gipfel, das Rothorn. Dessen steile, schmale Flanken nur mit Steigeisen und Pickel zu begehen waren. Die Restschneefelder wären ohne diese Ausrüstung nicht bezwingbar gewesen.
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Kurz vor dem Gipfel galt es noch einige leichte Kletterstellen zu bezwingen, die im nassen, mit Steine durchsetzten Gras, einiges an Aufmerksamkeit abverlangten. Trotzdem war das Rothorn schnell erreicht und gab wunderschöne Blicke frei zum Allgäuer Hauptkamm. Es war quasi fast wie Heimkommen, die bekannten Berge in der Ferne zu entdecken.

Richtung Westen stiegen wir dann weiter im steilen Gras wieder hinab. Über einige terrassenartige Steilstufen ging es auf den Hauptweg zurück, der uns wieder zur Biberacher Hütte bringen sollte. Die Terrassen erinnerten einen an einen Songtext, von einer bekannten Band die über die „Rheinterrassen“ singt. Schnell stimmten wir gemeinsam den bekannten Refrain an. (Leider darf aufgrund der neuen Datenschutzrichtlinien unser entstandenes Sing-Video nicht veröffentlicht werden ;) ) Singend ging es zur Hütte zurück, bei der wir uns nach kurzer, sonniger Rast, direkt der Hochkünzelspitze zuwendeten.
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Die ersten fast weißen Schneehühner waren im Aufstieg schnell erkannt, und die Aufregung war natürlich sehr groß.
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Recht flott erreichten wir unseren 2. Gipfel, der einige Meter unter dem Kreuz einige Spezialpassagen für uns bereithielt. Auf einem schmalen Band, das mit Schnee bedeckt war, wagte sich Peter mit Steigeisen vorsichtig vor, um das nahende Drahtseil mit dem Pickel ausgraben zu können. Es folgten einige Abschnitte mit Stahlseilen, über die wir alle recht froh waren. Und den Weiterweg möglich machten.

Als wir diese Stellen alle sicher überwunden hatten, ging es gut gestuft in Fels und teilweise mit Schnee hinauf. Der Abstieg ging über den selbigen Weg wieder zurück, hier war wieder große Konzentration gefragt, jeder Schritt musste in diesem Gelände einfach passen.
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Zum Abschluss wollten wir im Abstieg zur Hütte noch schnell auf den Giggelturm, der in sehr steilen Graspassagen zunächst erreicht werden musste. Die wenigen Meter hinauf zum Gipfel gingen über sehr ausgesetzte und abdrängende, teils bis zu II-Kletterstellen hinauf Das Gipfelbuch ist noch von 1977, viele sind hier nicht oben, die meisten mit Seil.
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Später an der Hütte genossen wir die wärmende Sonne, die unseren, tags zuvor gebauten, Schneemann fast komplett schmelzen lassen hat.

Es war weiterhin noch keine Menschenseele in Sicht, so beschlossen wir im Hüttenbrunnen ein kühles Bad zu nehmen. Schnell wurde der Brunnenboden etwas gesäubert und mit einer vollen Colaflasche der Ablauf so blockiert, dass wir schnell eine eiskalte Badewanne vor fanden. *brrr* Der Ausblick von der Badewanne war natürlich traumhaft, leider hielt man es trotzdem nur wenige Sekunden in der eisigen Kälte aus :):)

Am Abend hieß es schon wieder stückweise zusammen zu packen, denn am nächsten Morgen stand uns ja bereits der Übergang zur Nachbarhütte bevor.
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3. Tag: (Biberacher Hütte --> Göppinger Hütte)

Im Übergang zur Göppinger Hütte begegneten wir das erste Mal, seit der ganzen Zeit, zwei Menschen. Diese kamen direkt von der Hütte, zu der wir wollten, und stiegen hinüber zur Biberacher Hütte. Deren Auskunft gab uns Hoffnung-es war seither niemand dort.

Durch schöne Mischwälder, die in bunten Farben ihr Blätterkleid präsentierten, ging es zunächst ganz schön hinab, bis wir auf der anderen Seite schweißtreibend wieder aufsteigen mussten. Von Wolken am Himmel keine Spur, das Wetter zeigte sich wirklich wie im Bilderbuch. So genossen wir die Mittagspause an der schönen Oberen Alpschellaalpe in der Sonne, es war wirklich wunderschön hier.
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Der Durchstieg durch den Gamsboden zog sich wie Gummiband, der schwere Rucksack wurde hier sehr deutlich. Am Horizont wollte einfach keine Hütte auftauchen, dafür eine weitere Wandersdame.
Wir beschlossen noch kurz vor der Hütte einer kleinen neumodischen Schnitzeljagd nachzugehen. Warfen sogleich die schweren Rucksäcke ab und stiegen fast schwebend einen Hang hinauf um den Schatz bergen zu können.

Später, da, bei weiterhin wolkenlosen Himmel, in der Ferne, die Göppinger Hütte. Einige Wanderer tummelten sich an der Sonnenterrasse der Haupthütte, der Winterraum schien aber unbewohnt.

Juhu, es war wirklich immer noch niemand da, wir freuten uns riesig.
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Nachdem klar war, dass die Zisterne an der Hütte keinerlei Wasser aufwies, fiel der geplante Gipfel an diesem Tag kurzerhand aus. Wir begannen sämtliche Gefäße und Tüten mit dem Restschnee zu befüllen. Von Axtschleifen mit dem Leatherman, Ofen einheizen und ein Wärmetauschersystem entwickeln bis hin zum Holzsägen und Hacken war an diesem sonnigen Nachmittag einfach alles geboten. Wie klein die Probleme aus dem Alltag sein können, wenn es darum geht die Grundbedürfnisse klar zu machen.
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Unser Team funktionierte perfekt, immer wenn der Wärmetauscherfachmann Christian aus dem Inneren der Hütte rief „mehr Schnee, bitte“ düsten Peter und ich mit großer Schöpfkelle und Topf bewaffnet los und schöpften das nächste weiße Etwas. Dann galt es wieder das abgekühlte Wasser aus dem Wärmetauschersystem in andere Gefäße umzufüllen, zu filtern, neues Holz in den Ofen zu schmeißen, sägen, hacken, schleifen usw.
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Zwischendurch genossen wir die Sonne und fingen vielleicht die letzte richtige Bräune bauchfrei ein. :) Ein Hüttenleben kann so schön sein.
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Später am Abend waren wir immer noch alleine und kochten fröhlich unser Abendessen. Die Besprechung für den nächsten Tag ging schnell vorbei und schon lagen wir alle gestärkt und glücklich im gemütlichen Lager.


4.Tag: (Gipfeltag)

Begleitet von den verschiedenen Tönen der röhrende Hirsche ging es zur Braunarlspitze. Auf wunderschönem Panoramaweg, am Rande hüpfte hier und da ein geschecktes Schneehuhn, zur großen Freude von mir, natürlich. Über uns kreiste ein Steinadler in großen Kreisen sanft dahin. In der Ferne, ganz dicht am Wanderweg große Herden von Steinböcken mit mächtigen Geweihen. Über 25 Tiere zählten wir. Alles war so friedlich und menschleer hier. Ein Traum der Wirklichkeit ist.
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Der kraxelige Aufschwung zum Gipfel war mit leichtem Tagesgepäck ohne Schwierigkeiten gut erreicht. Das Gelände ist toll hier, noch meist naturbelassene Routen ohne viel Drahtseil. Oben tummelten sich wenige Leute, nach einer kurzen Rast ging es schon wieder weiter hinab über den Aufstiegsweg.

An der Hütte wieder angekommen planten wir kurzerhand nochmals etwas um, wollten einen Gipfel auslassen. Legten daher eher eine große Mittagspause ein, inklusive Schneesammeln um am späteren Nachmittag gemütlich auf die Hochlichtspitze aufzusteigen.
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Am Abend kamen dann doch nach und nach die verschiedensten Wanderer zu uns hinzu. Sodass wir zum Schluss mit 7 Leuten in einem Miniraum gemeinsam nicht über die Füße fallen wollen. Da war Planungs-, Rücksichts-und logistisches Talent gefragt. Denn auf der Herdplatte, war nur für einen Topf Platz, aber 7 Leute wollten satt werden. Nach 3 ½ Tagen ohne Menschenseele war das eine ganz schöne Umstellung für mein Team.
Zur späten Stunde verzogen wir uns mit warmen Decken nach draußen, ließen den Tag mit Sternschnuppengucken verstreichen und die schönen Stunden etwas Revue passieren.

Tag 5: (Abstieg über Geislinger Steig)

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Hier weg wollte eigentlich keiner von uns, aber jede tolle Zeit hat irgendwo ein Ende. So zogen wir pünktlich um 8 Uhr von dannen. Am Wegesrand wieder die Steinbockherden, diesmal mit kleinen Steinbockbabys, was die Zeit für wenige Sekunden stillstehen ließ.
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Heute war es bei weitem nicht mehr so sonnig, wie die letzten Tage. Dass störte uns aber wenig, denn der Rucksack hatte zwar nicht mehr das Gewicht wie zu Anfang unserer Tour, aber trotzdem trieb der Weg uns einige Schweißperlen auf die Stirn.

Über den Geislinger Steig ging es steil, schmierig und rutschig hinab. Hier war gute Trittsicherheit und Körperspannung gefragt.
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Wenige Stunden vor dem Zielparkplatz, kochten wir mit dem Gaskocher noch auf einem schönen Plateau unsere Reste vom Vorabend und stiegen Richtung Schröcken hinab.

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Im Ort angekommen, stecke Christian seinen Kopf gleich komplett in den Dorfbrunnen, während Peter und ich uns nur etwas erfrischten. Durch schöne Laubwälder ging es sanft dann unserem Startparkplatz entgegen.
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Auf der Heimfahrt gab es noch eine leckere Rast in einer Pizzeria, so ließen wir die gemeinsamen Tage ausklingen.

Vielen Dank für die tolle Zeit mit euch, das wird wiederholt, da könnt ihr euch sicher sein.
Miri
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PS: Fazit zu Winterräumen kurz nach der Sommersaison: Wirklich sehr zu empfehlen, mit wenigen Restschneefelder können die Hütten gut ohne Schneeausrüstung begangen werden. Für die umliegenden Gipfel braucht‘s je nach Schneelage und Wetter Steigeisen und Pickel als Hilfsmittel.


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reiber
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Re: Erlebnisbericht - Winterraumwoche im goldenen Herbst 2018 – Lechquellengebirge

Beitrag von reiber » 6. Nov 2018, 14:20

Schöner Bericht. So etwas möchte ich auch gerne mal machen.
Gibt es in den Hütten keinen Kocher und Töpfe...
20kg pro Person kommt mir doch sehr viel vor.

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Miri_87
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Re: Erlebnisbericht - Winterraumwoche im goldenen Herbst 2018 – Lechquellengebirge

Beitrag von Miri_87 » 8. Nov 2018, 10:27

Hallo Reiber,

doch es gibt in den Hütten normalerweise einen Ofen. Jedoch ist nicht immer vorausgesetzt, dass dieser funktioniert oder noch genug Holz da ist (in der Saison 17/18 war gegen Mrz18 teilweise kein Holz mehr auf den Hütten). Deshalb nehme ich grundsätzlich auf Selbstversorgerhütten einen Notfallkocher + Gas + Topf mit.
Töpfe sind in der Regel auch vorhanden, aber nicht immer reichlich, je nach „Belegung“ der Hütte.

Du hast Recht, 20 Kg sind recht viel, jedoch waren wir 5 Tage unterwegs, da braucht‘s einiges an Verpflegung, zusätzlich hatten wir noch schweres Equipment dabei, wie z.B. Pickel und Steigeisen. Rückblickend, haben wir alle Gegenstände aus unseren Rucksäcken tatsächlich benutzt oder verbraucht.

VG Miri
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