Ein paar Tage im Steinernen Meer / Juli 2021 / Peter-Wiechenthaler-Hütte
Verfasst: 15. Jul 2021, 16:55
Eigentlich hatte ich ja geplant, den Albsteig/HW1 weitestgehend komplett von Donauwörth nach Tuttlingen mit dem Tarp zu wandern, aber eine Mischung aus Pech mit dem Wetter, fehlenden Skills, umständlichen Corona-Regeln und allgemeiner Genervtheit haben die Tour dann rapide gekürzt. Angesichts der Wetterkapriolen war es dann gar keine falsche Entscheidung, nach etwas mehr als einem Tag und 60km abzubrechen, meinen Daunenschlafsack zum Trocknen aufzuhängen und mir eine Alternative zu überlegen. Also bin ich am Montag nach Hause und habe den Dienstag damit verbracht, Pläne zu schmieden.
Das schlechte Wetter sollte sich gemäß MeteoBlue weitgehend nördlich der Alpen abspielen, und mein Augenmerk fiel natürlich auf mein Haus-und-Hof-Gebiet, das Steinerne Meer. Die üblichen Hütten waren wegen der Corona-Einschränkungen aber schon ausgebucht, bzw. mussten aus technischen Gründen (Riemannhaus) sogar einen Großteil der Buchungen stornieren.
Dunkel erinnerte ich mich noch an eine kleine Hütte am Südwestrand des Steinernes Meeres, die Peter-Wiechenthaler-Hütte bei Saalfelden, auf der ich mit 12 Jahren mal war. Ein Blick auf die Homepage zeigte, dass die kleine, enge Hütte aus meiner Erinnerung erst vor kurzem wunderschön renoviert und angebaut wurde, und es waren noch genug Betten frei. Dazu kam auch noch der Vorteil, dass mir meine erste Corona-Impfung ab Freitag in Österreich den "geimpft"-Status einbringen würde und ich von lästigen Testpflichten befreit wäre.
So habe ich erst mal eine Nacht in Saalfelden und 3 Nächte auf der Hütte gebucht. Die weiteren Planungen würde ich dann spontan machen, je nach Wetter und Befindlichkeit.
Mittwoch
Am Mittwoch fahre ich noch schnell testen in die Statt, dann gondle ich mit der Bahn über Salzburg nach Saalfelden und gehe gemütlich zu meiner etwas außerhalb in Ramseiden gelegenen Pension Hartl. Das Zimmer ist super sauber, hat einen Balkon und ein kleines aber blitzblankes Bad. Die Pensionswirtin ist etwas überrascht, als ich ihr Angebot ausschlage, dass sie mir eine Touristenkarte für die kostenlose Bus-Benutzung ausstellt, aber ich bin an dem Tag erst 13000 Schritte gegangen, und ich bin ja im Wanderurlaub. Ich gehe nochmal zurück nach Saalfelden, kaufe mir eine Packung Duplo als Gipfelschoki und Notfallreserve, eine neue Landkarte vom Steinernen Meer (meine alte von 1998 hat Saalfelden ausgespart und die Ecke der Legende geopfert) sowie 2 Schnelltests für den Fall, dass ich auf deutschen Hütten nachweispflichtig werde, und lege mich kurz vor Sonnenuntergang schlafen. Draußen geht ein unangenehmer Wind, und es ist ein Gewitter angesagt. Das kommt dann auch, aber ich kriege schon nichts mehr davon mit.
Donnerstag
Als ich um 5:15 Uhr aufwache ist alles nass, die Sonne scheint und der Dampf steigt von den Wiesen auf. Ein sehr leckeres Frühstück und einen viel zu langen Ratsch mit den anderen Pensionsgästen später habe ich bezahlt, gepackt und mache mich auf den Weg zur Peter-Wiechenthaler-Hütte. Aus grauer Vorzeit erinnere ich mich noch an einen Weg, der knapp innerhalb des Waldes an den Bergen entlang nach Nordosten bis Bachwinkl führt, und meine alte Karte hatte den auch noch drin. Trotz Wegweiser zum Weg und altem Drehkreuz finde ich mich aber auf einer weglosen Kuhweide wieder. Da das Milchvieh sehr entspannt herumliegt, stapfe ich eine Weile auf und ab und halte Aussschau nach dem Weg. Irgendwann glaube ich, dass ich ihn gefunden habe, und folge ihm. Leider wird der Weg immer sumpfiger und die Huftritte immer tiefer. Nach 20 Minuten muss ich mir eingestehen, dass hier nichts zu holen ist, und dann empfiehlt mir auch noch ein Schild vom Österreichischen Militär ganz nachdrücklich, die Wiesen hier nicht zu betreten. Ich steige zum Weidezaun ab und quäle mich noch mal 10 Minuten durch tiefen Matsch, bis ich etwas unter mir eine Aussichtsbank samt zugehörigem Pfad zurück in die Zivilisation erspähe.
Ich folge dann dem Radweg weiter bis zum Parkplatz Bachwinkl, wo endlich der Aufstieg zur Hütte losgeht. Die Wolken über mir werden schon wieder dichter und es ist ziemlich schwül, aber der Weg ist angenehm zu gehen und gut in Schuss.
Die Höhenmeter schießen nur so nach oben, und obwohl ich ausgiebig Pausen mache, bin ich kurz vor Mittag schon oben. Die letzten 5 Minuten gehe ich tatsächlich noch im warmen Sommerregen. Auf der Hütte werde ich von der Wirtin Christiane freundlich empfangen und bin flugs eingeschekt. Ich bin allein im 2er-Zimmer und soll es auch bleiben. Ich gönne mir eine leckere Speckknödelsuppe während draußen die Schleusen aufgehen und die nach mir ankommenden fast wieder den Berg herunterspülen. Die Hütte ist vor 2 Jahren toll renoviert, mit einem lauschigen, modernen Gastraum als Anbau mit Panorama-Fenstern nach Süden und Westen so dass man weit auf den Alpenhauptkamm mit seinen vergletscherten Nordhängen und näher auf die östlichen Tiroler Alpen schauen kann.
Für eine Tour am Nachmittag ist es zu schmuddelig, deshalb verbringe ich viel Zeit auf der Terrasse unter dem Vordach, studiere den Wetterbericht und überlege mir, wie es die nächsten Tage weiter geht. Auch bei schlechtem Wetter ist die Aussicht hier famos.
In der Nacht gewittert es wieder, aber ich bekomme davon nichts mit. Mein 13°C-Schlafsack und mein geliebtes S2S-Kissen sind perfekt für die Hütte, und die Matratze ist angenehm fest.
Freitag
Die Nachwirkungen des vielen Regens hängen heute noch in der Luft und auf dem Boden. Gleich auf der anderen Seite des Alpenrands, nur 50km Luftlinie, ist wohl fast die Welt untergegangen, aber hier war es ein normales, intensives Sommergewitter. Für Ausflüge in schwieriges Terrain ist es trotzdem noch zu nass, deshalb beschließe ich beim Frühstück, durchs Steinerne Meer zum Kärlingerhaus am Funtensee zu gehen. Dort bin ich seit gefühlten Ewigkeiten einmal im Jahr, so dass es schon fast ein Ritual ist, dort vorbei zu schauen. Natürlich verratsche ich mich noch viel zu lange, so dass es schon nach 9 ist, also ich endlich los komme. Von der Hütte aus geht es erst einmal eher flach unterhalb des Persailhorns und Ahlhorns Hang entlang, bevor der Weg zunehmend steiler zur Weißbachscharte bis auf 2261 hoch führt. Fast steige ich auf einen Salamander, der regungslos in einer kleinen Kuhle in einer Stufe posiert.
Der Weg hier hat ein rotes Pünktchen, ist also als mittelschwer eingestuft. Ich muss ein wenig schmunzeln, denn es hat einige Seilversicherungen an ausgesetzten Stellen, Geröll und nicht ganz einfache felsige Stufen. Näher am touristischen Wahnsinn des Königssees wäre er tiefschwarz.
Nach einer kurzen Pause auf der Scharte um die Aussicht zu genießen geht es dann zackig wieder 100hm über Geröll und fein drapiertes Blockwerk runter zum Praterstern, dem Wegkreuz, an dem zu den 3 Hütten im Steinernen Meer verzweigt wird, dem Ingolstädter Haus, dem Riemannhaus und dem Kärlingerhaus. Letzteres liegt gerade voraus, und der Weg führt quer durch die Karstwüste. Rund herum liegen gefrorene Wellen aus Kalkstein, und in langen Jahrtausenden hat das Wasser tiefe Furchen hinein geschnitten. Dort wo Gras und Blumen wachsen ist die Humusschicht nur dünn, und eine Herde genügsamer Schafe tut ihres dazu diese Mondlandschaft zu erhalten. Ihr Blöken ist über Kilometer zu hören.
Mein Weg windet sich angenehm über den rund geschliffenen Fels dahin. Es braucht gute Sohlen, dann fliegen die Füße über den Untergrund und finden nur durch Reibung ihren Halt.
Zwischendurch muss ich einen kleinen Umweg über den Schrofenhang machen, weil auf dem Steig eine Schafmama ihren zwei oder drei Tage alten Nachwuchs bewacht und mich das mit nachdrücklichem Huf-Klopfen und tiefem Mähen wissen lässt.
In langsam Auf und Ab durch bizzarre Felsen und vereinzelte, knorrige Überreste von Bäumen geht es langsam tiefer, bis ich mich nach einer knappen Stunde dem Hirschtörl nähere, wo ich auf den Weg vom Hundstodgatterl einschwenke, der ins Wimbachgries, das wieder eine ganz andere Art von Wüste ist, hinüber führt. Ich gehe weiter durch lichten Wald und lege die letzten 200hm über einen schlüpfrigen Steig zurück. Kaum verlasse ich die Bäume, füllt sich die Luft mit dem Pfeifen der Murmeltiere. Die regenreichen Wochen haben ihnen gut getan. So wohlgenährt sehen sie in anderen Jahren erst im August aus.
Wohlgenährt fühle ich mich auch nach einer guten Portion Bratkartoffeln mit Spiegelei und einem hochgradig isotonischen Radler. Die Sonne ist mir heute leider nicht wohl gesonnen und lässt den Funtensee im Schatten liegen.
Nach ein wenig Fachsimpelei über die verschiedenen Wege und Berge in dieser Ecke mit einem anderen "Wiederholungstäter" und einem leckeren Stammgästeschnapps (vielen Dank, Marion!) mache ich mich wieder auf die Socken. Es ist schon 14:30, und um 17:50 wartet ein Schnitzel auf mich. Die offizielle Gehtzeit sind 3:30, und ich bin ja im Moment nicht gerade fit. Zum Glück fallen mir mangels Training nur die Aufstiege etwas schwerer. Zurück sind es etwa 800m davon, und 700m wieder runter. Trotzdem muss ich zwischendurch nochmal etwas mit den Schafen plaudern. Denen geht Corona z.B. komplett am Fell vorbei, und von Maskenfplicht haben sie noch nie etwas gehört. Zwei weiße Lämmer hüpfen wild im Kreis umeinander von Fels zu Fels und haben eine riesen Gaudi dabei während Mama Schaf versucht, die beiden weiter vom Weg weg zu locken. Warum nur muss ich gerade an meine beiden kleinen Neffen denken?
Die letzten Meter hoch zur Scharte muss ich dann ein wenig schnaufen, und als ich oben bin, kommt auch die Sonne raus. Trotzdem lasse ich die Füße laufen so gut es geht und komme auch mit 15 Minuten Puffer an der Hütte an. Das erste Radler verdunstet auf dem Weg vom Glas in den Mund, und die zwei Schnitzel sind super lecker. Für die Nachspeise habe ich keinen Platz mehr, aber ein Espresso geht immer.
Nach einer lohnenswerten Investition von 3€ in eine Duschmarke bin ich dann auch wieder olfaktorisch präsentabel. Ich plausche noch mit anderen Gästen, schaue mir den Sonnenuntergang bei einem leckeren Glas Wein an und krabble als es dunkel wird glücklich und müde in meinen Schlafsack.
Ich hatte ja ursprünglich 3 Nächte hier gebucht, aber es wäre kein Problem, auch etwas länger zu bleiben. Während ich langsam in den Schlaf sinke, steigt die Überzeugung, dass ich das tun sollte. Seit Jahren bin ich eigentlich immer auf Tour von Hütte zu Hütte, oder von einem Platz fürs Zelt zum nächsten. Am selben Ort zu bleiben und Abends wieder dorthin zurück zu kommen fühlt sich schon fast fremd an, aber hier taugt es mir. Die Hütte, das Team dort, und die Gäste, das ganze Paket stimmt, und vielleicht ist ja gerade jetzt ein guter Zeitpunkt zu entschleunigen.
...Fortsetzung folgt...
Das schlechte Wetter sollte sich gemäß MeteoBlue weitgehend nördlich der Alpen abspielen, und mein Augenmerk fiel natürlich auf mein Haus-und-Hof-Gebiet, das Steinerne Meer. Die üblichen Hütten waren wegen der Corona-Einschränkungen aber schon ausgebucht, bzw. mussten aus technischen Gründen (Riemannhaus) sogar einen Großteil der Buchungen stornieren.
Dunkel erinnerte ich mich noch an eine kleine Hütte am Südwestrand des Steinernes Meeres, die Peter-Wiechenthaler-Hütte bei Saalfelden, auf der ich mit 12 Jahren mal war. Ein Blick auf die Homepage zeigte, dass die kleine, enge Hütte aus meiner Erinnerung erst vor kurzem wunderschön renoviert und angebaut wurde, und es waren noch genug Betten frei. Dazu kam auch noch der Vorteil, dass mir meine erste Corona-Impfung ab Freitag in Österreich den "geimpft"-Status einbringen würde und ich von lästigen Testpflichten befreit wäre.
So habe ich erst mal eine Nacht in Saalfelden und 3 Nächte auf der Hütte gebucht. Die weiteren Planungen würde ich dann spontan machen, je nach Wetter und Befindlichkeit.
Mittwoch
Am Mittwoch fahre ich noch schnell testen in die Statt, dann gondle ich mit der Bahn über Salzburg nach Saalfelden und gehe gemütlich zu meiner etwas außerhalb in Ramseiden gelegenen Pension Hartl. Das Zimmer ist super sauber, hat einen Balkon und ein kleines aber blitzblankes Bad. Die Pensionswirtin ist etwas überrascht, als ich ihr Angebot ausschlage, dass sie mir eine Touristenkarte für die kostenlose Bus-Benutzung ausstellt, aber ich bin an dem Tag erst 13000 Schritte gegangen, und ich bin ja im Wanderurlaub. Ich gehe nochmal zurück nach Saalfelden, kaufe mir eine Packung Duplo als Gipfelschoki und Notfallreserve, eine neue Landkarte vom Steinernen Meer (meine alte von 1998 hat Saalfelden ausgespart und die Ecke der Legende geopfert) sowie 2 Schnelltests für den Fall, dass ich auf deutschen Hütten nachweispflichtig werde, und lege mich kurz vor Sonnenuntergang schlafen. Draußen geht ein unangenehmer Wind, und es ist ein Gewitter angesagt. Das kommt dann auch, aber ich kriege schon nichts mehr davon mit.
Donnerstag
Als ich um 5:15 Uhr aufwache ist alles nass, die Sonne scheint und der Dampf steigt von den Wiesen auf. Ein sehr leckeres Frühstück und einen viel zu langen Ratsch mit den anderen Pensionsgästen später habe ich bezahlt, gepackt und mache mich auf den Weg zur Peter-Wiechenthaler-Hütte. Aus grauer Vorzeit erinnere ich mich noch an einen Weg, der knapp innerhalb des Waldes an den Bergen entlang nach Nordosten bis Bachwinkl führt, und meine alte Karte hatte den auch noch drin. Trotz Wegweiser zum Weg und altem Drehkreuz finde ich mich aber auf einer weglosen Kuhweide wieder. Da das Milchvieh sehr entspannt herumliegt, stapfe ich eine Weile auf und ab und halte Aussschau nach dem Weg. Irgendwann glaube ich, dass ich ihn gefunden habe, und folge ihm. Leider wird der Weg immer sumpfiger und die Huftritte immer tiefer. Nach 20 Minuten muss ich mir eingestehen, dass hier nichts zu holen ist, und dann empfiehlt mir auch noch ein Schild vom Österreichischen Militär ganz nachdrücklich, die Wiesen hier nicht zu betreten. Ich steige zum Weidezaun ab und quäle mich noch mal 10 Minuten durch tiefen Matsch, bis ich etwas unter mir eine Aussichtsbank samt zugehörigem Pfad zurück in die Zivilisation erspähe.
Ich folge dann dem Radweg weiter bis zum Parkplatz Bachwinkl, wo endlich der Aufstieg zur Hütte losgeht. Die Wolken über mir werden schon wieder dichter und es ist ziemlich schwül, aber der Weg ist angenehm zu gehen und gut in Schuss.
Die Höhenmeter schießen nur so nach oben, und obwohl ich ausgiebig Pausen mache, bin ich kurz vor Mittag schon oben. Die letzten 5 Minuten gehe ich tatsächlich noch im warmen Sommerregen. Auf der Hütte werde ich von der Wirtin Christiane freundlich empfangen und bin flugs eingeschekt. Ich bin allein im 2er-Zimmer und soll es auch bleiben. Ich gönne mir eine leckere Speckknödelsuppe während draußen die Schleusen aufgehen und die nach mir ankommenden fast wieder den Berg herunterspülen. Die Hütte ist vor 2 Jahren toll renoviert, mit einem lauschigen, modernen Gastraum als Anbau mit Panorama-Fenstern nach Süden und Westen so dass man weit auf den Alpenhauptkamm mit seinen vergletscherten Nordhängen und näher auf die östlichen Tiroler Alpen schauen kann.
Für eine Tour am Nachmittag ist es zu schmuddelig, deshalb verbringe ich viel Zeit auf der Terrasse unter dem Vordach, studiere den Wetterbericht und überlege mir, wie es die nächsten Tage weiter geht. Auch bei schlechtem Wetter ist die Aussicht hier famos.
In der Nacht gewittert es wieder, aber ich bekomme davon nichts mit. Mein 13°C-Schlafsack und mein geliebtes S2S-Kissen sind perfekt für die Hütte, und die Matratze ist angenehm fest.
Freitag
Die Nachwirkungen des vielen Regens hängen heute noch in der Luft und auf dem Boden. Gleich auf der anderen Seite des Alpenrands, nur 50km Luftlinie, ist wohl fast die Welt untergegangen, aber hier war es ein normales, intensives Sommergewitter. Für Ausflüge in schwieriges Terrain ist es trotzdem noch zu nass, deshalb beschließe ich beim Frühstück, durchs Steinerne Meer zum Kärlingerhaus am Funtensee zu gehen. Dort bin ich seit gefühlten Ewigkeiten einmal im Jahr, so dass es schon fast ein Ritual ist, dort vorbei zu schauen. Natürlich verratsche ich mich noch viel zu lange, so dass es schon nach 9 ist, also ich endlich los komme. Von der Hütte aus geht es erst einmal eher flach unterhalb des Persailhorns und Ahlhorns Hang entlang, bevor der Weg zunehmend steiler zur Weißbachscharte bis auf 2261 hoch führt. Fast steige ich auf einen Salamander, der regungslos in einer kleinen Kuhle in einer Stufe posiert.
Der Weg hier hat ein rotes Pünktchen, ist also als mittelschwer eingestuft. Ich muss ein wenig schmunzeln, denn es hat einige Seilversicherungen an ausgesetzten Stellen, Geröll und nicht ganz einfache felsige Stufen. Näher am touristischen Wahnsinn des Königssees wäre er tiefschwarz.
Nach einer kurzen Pause auf der Scharte um die Aussicht zu genießen geht es dann zackig wieder 100hm über Geröll und fein drapiertes Blockwerk runter zum Praterstern, dem Wegkreuz, an dem zu den 3 Hütten im Steinernen Meer verzweigt wird, dem Ingolstädter Haus, dem Riemannhaus und dem Kärlingerhaus. Letzteres liegt gerade voraus, und der Weg führt quer durch die Karstwüste. Rund herum liegen gefrorene Wellen aus Kalkstein, und in langen Jahrtausenden hat das Wasser tiefe Furchen hinein geschnitten. Dort wo Gras und Blumen wachsen ist die Humusschicht nur dünn, und eine Herde genügsamer Schafe tut ihres dazu diese Mondlandschaft zu erhalten. Ihr Blöken ist über Kilometer zu hören.
Mein Weg windet sich angenehm über den rund geschliffenen Fels dahin. Es braucht gute Sohlen, dann fliegen die Füße über den Untergrund und finden nur durch Reibung ihren Halt.
Zwischendurch muss ich einen kleinen Umweg über den Schrofenhang machen, weil auf dem Steig eine Schafmama ihren zwei oder drei Tage alten Nachwuchs bewacht und mich das mit nachdrücklichem Huf-Klopfen und tiefem Mähen wissen lässt.
In langsam Auf und Ab durch bizzarre Felsen und vereinzelte, knorrige Überreste von Bäumen geht es langsam tiefer, bis ich mich nach einer knappen Stunde dem Hirschtörl nähere, wo ich auf den Weg vom Hundstodgatterl einschwenke, der ins Wimbachgries, das wieder eine ganz andere Art von Wüste ist, hinüber führt. Ich gehe weiter durch lichten Wald und lege die letzten 200hm über einen schlüpfrigen Steig zurück. Kaum verlasse ich die Bäume, füllt sich die Luft mit dem Pfeifen der Murmeltiere. Die regenreichen Wochen haben ihnen gut getan. So wohlgenährt sehen sie in anderen Jahren erst im August aus.
Wohlgenährt fühle ich mich auch nach einer guten Portion Bratkartoffeln mit Spiegelei und einem hochgradig isotonischen Radler. Die Sonne ist mir heute leider nicht wohl gesonnen und lässt den Funtensee im Schatten liegen.
Nach ein wenig Fachsimpelei über die verschiedenen Wege und Berge in dieser Ecke mit einem anderen "Wiederholungstäter" und einem leckeren Stammgästeschnapps (vielen Dank, Marion!) mache ich mich wieder auf die Socken. Es ist schon 14:30, und um 17:50 wartet ein Schnitzel auf mich. Die offizielle Gehtzeit sind 3:30, und ich bin ja im Moment nicht gerade fit. Zum Glück fallen mir mangels Training nur die Aufstiege etwas schwerer. Zurück sind es etwa 800m davon, und 700m wieder runter. Trotzdem muss ich zwischendurch nochmal etwas mit den Schafen plaudern. Denen geht Corona z.B. komplett am Fell vorbei, und von Maskenfplicht haben sie noch nie etwas gehört. Zwei weiße Lämmer hüpfen wild im Kreis umeinander von Fels zu Fels und haben eine riesen Gaudi dabei während Mama Schaf versucht, die beiden weiter vom Weg weg zu locken. Warum nur muss ich gerade an meine beiden kleinen Neffen denken?
Die letzten Meter hoch zur Scharte muss ich dann ein wenig schnaufen, und als ich oben bin, kommt auch die Sonne raus. Trotzdem lasse ich die Füße laufen so gut es geht und komme auch mit 15 Minuten Puffer an der Hütte an. Das erste Radler verdunstet auf dem Weg vom Glas in den Mund, und die zwei Schnitzel sind super lecker. Für die Nachspeise habe ich keinen Platz mehr, aber ein Espresso geht immer.
Nach einer lohnenswerten Investition von 3€ in eine Duschmarke bin ich dann auch wieder olfaktorisch präsentabel. Ich plausche noch mit anderen Gästen, schaue mir den Sonnenuntergang bei einem leckeren Glas Wein an und krabble als es dunkel wird glücklich und müde in meinen Schlafsack.
Ich hatte ja ursprünglich 3 Nächte hier gebucht, aber es wäre kein Problem, auch etwas länger zu bleiben. Während ich langsam in den Schlaf sinke, steigt die Überzeugung, dass ich das tun sollte. Seit Jahren bin ich eigentlich immer auf Tour von Hütte zu Hütte, oder von einem Platz fürs Zelt zum nächsten. Am selben Ort zu bleiben und Abends wieder dorthin zurück zu kommen fühlt sich schon fast fremd an, aber hier taugt es mir. Die Hütte, das Team dort, und die Gäste, das ganze Paket stimmt, und vielleicht ist ja gerade jetzt ein guter Zeitpunkt zu entschleunigen.
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