Richtig. Ich habe mir das "Herzstück" geschnappt in der Hoffnung, die "Königsetappen" diesmal bei schönem Wetter machen zu können. Am 2.9. stand der Beschluss fest nachdem sich die Wettermodelle endlich auf eine stabile Hochdrucklage festgelegt haben, und 3.9. habe ich meinen neuen, ultraleichten Rucksack geschultert und mich mit Bahn + Bus nach Hinterriss bringen lassen.
Etappe 1: Hinterriss - Karwendelhaus
Das Wetter ist schön, richtig schön, als ich mittags meine Tour beginne. Aber ich schnaufe den Berg hinauf wie ein Walross und stelle wieder einmal fest, dass im Büro sitzen und an Sport denken die Fitness nicht wirklich aufrecht hält. Die paar Meter auf dem Rad zur Arbeit reißen es auch nicht raus. Trotzdem ist der Weg das Johannisbachtal und über die Ahornböden ein Genuss zum Warmlaufen. Bei strahlendem Sonnenschein komme ich am Karwendelhaus an, aber die ersten dunklen Wolken drücken sich schon an die Berge heran. Es wird doch nicht wieder so losgehen wie letztes Jahr?
Es war angenehm ruhig auf dem Karwendelhaus, kein Vergleich zu der überfüllten Hektik im August. München-Venedig-Wanderer sind Mangelware um diese Zeit, aber das ist nicht direkt verwunderlich, schließen doch die ersten Hütten in Südtirol schon am 20.09. Während des Abendessens beginnt es zu tröpfeln, und meine Laune sinkt, aber der Wetterbericht für morgen lässt mich hoffen. Entgegen meiner Gewohnheiten habe ich mir etwas Luxus gegönnt und ein Bett reserviert. Ich bekomme ein Einzelzimmer! Zum ersten Mal schlafe ich auf dem Karwendelhaus tief und fest wie ein Stein.
Etappe 2: Karwendelhaus - Hallerangerhaus
Es regnet nicht, aber der Nebel klebt an der Birkkarspitze und nieselt fein herab. Was soll's? Alles ist besser als der Hatscher nach Scharnitz und wieder hinauf. Also quäle ich meine wenig trainierten Beine über Schrofen und Geröll hoch zur Birkkarspitze. So begrenzt die Aussicht ist, so schön ist es doch, gegen die ungezähmte Wildheit des Karwendels anzukämpfen und dabei die Kräfte zu bestaunen, die diese steilen Felsen vor Urzeiten empor gequetscht haben.
Hinauf geht es langsam, und brauche sogar etwas mehr als die geplanten drei Stunden bis ich die fast 1000hm zur Spitze erreicht habe, doch als ich endlich am Gipfel stehe, auf den letzten Metern fühle, dass die Trittsicherheit noch da ist und tief durchatme, habe ich zum ersten Mal dieses Glücksgefühl, das mich immer wieder in die Berge treibt. Es ist egal, dass ich kaum 10 Meter weit sehen kann. Es ist egal, dass die Füße schon weh tun. Und die Waffeln und das Wasser schmecken wunderbar.
Der Abstieg ist lang und teilweise steil. Die Seilversicherungen sind zu einem großen Teil ausgerissen, und bei der Nässe werfe ich einen Blick auf den ersten versicherten, steilen, glatten Abschnitt und hangle mich lieber ein Stück daneben am raueren Fels hinunter. Nach etwa einer Stunde erreiche ich eine Senke, in der die Markierungen im Nebel kaum zu erkennen sind. Der Weg verzweigt sich, und ich warte 5 Minuten, bis die Suppe um mich ein wenig aufklart und ich die Wegverläufe mit der Karte vergleichen kann, dann geht es weiter bergab, über steile Geröllfelder und an einer Gruppe junger polnischer Wanderer im Aufstieg von der anderen Seite vorbei.
Nach 6 Stunden komme ich endlich an der Kastenalm an. Nur 3 Radfahrer sind heute da, und ich bin froh, dass bei dem wenig einladenden Wetter geöffnet ist. So gibt es Kaffee und den wie immer üppig ausfallenden Kuchen. Jetzt sind es noch knapp 2 Stunden die Forststraße hoch zum Hallerangerhaus. Kein wirklich einladendes Stück, und der Nebel wird schon wieder dicker. Meine Laune wird dabei langsam wieder schlechter, ich bekomme auf halbem Weg einen Krampf im Zeh und kämpfe mich nach 10 Minuten Zwangspause die restlichen 200hm hoch, nur noch drei Dinge im Kopf: Dusche, Essen, Bett. 1550 Meter rauf und hinunter sind schon eine Nummer.
Etappe 3: Hallerangerhaus - Glungezerhütte
Die Sonne blitzt zum Frühstück schon heraus! Meteoblue sagt mir, dass das Wetter heute und morgen toll sein wird, und bin gleich ein ganz anderer Mensch. Zusammen mit zwei MuVe-Wanderern breche ich ausgeruht von der Hütte auf, und die 300m hoch zum Lafatscherjoch mach richtig Spaß. Der Steig hinunter nach St. Magdalena ist dieses Jahr deutlich trockener als letztes Mal als mir das Wasser über die Schuhe geschossen ist, worüber ich froh bin, aber auch diesmal muss man sich vor feuchten Wurzeln und schmierigen, rund geschliffenen Felsbrocken auf dem engen, ausgetretenen Steig in Acht nehmen. Ein Schinken-Käse-Toast im Biergarten von St. Magdalena füllt die Energiereserven wieder auf. Die Sonne scheint, und die Urlaubsstimmung steigt und lässt sich auch von dem unangenehmen Stück auf der steilen Teerstraße nach Hall nicht ganz unterkriegen.
Meine beiden Mitwanderer beschließen leider, in Hall zu nächtigen. Das untere Segment der Glungezerbahn wird gerade erneuert, und das Ersatztaxi würde 75€ kosten. Also schnell den nächsten Bus nach Tulfein genommen und hoch, über Fahrwege und kleine Abkürzer. Der Weg ab der Tulfeinalm ist schön wenn es nicht schneit und man die Markierungen gut sehen kann, aber der Anstieg zieht sich und die Sonne brennt auf mich herab. Als ich kurz nach 18:00 Uhr an der Hütte ankomme, bin ich wieder völlig gemäht.
Die Glungezerhütte ist eine der schönsten. Seit dieser Saison ist ein neuer Hüttenwirt dort, der mit seiner ruhigen, hilfsbereiten Art sofort alle für sich vereinnahmt, kein Vergleich zu seinem selbstdarstellerischen Vorgänger. Bei ihm kostet auch das Trinkwasser für die Flaschen nichts mehr. Das Essen ist üppig und sehr, sehr gut, und wir genießen es im Sonnenschein auf der Terrasse umgeben von Felsen und mit wunderbarem Ausblick. Alle haben ein Grinsen im Gesicht.
Kurz nach 9 bin ich im Bett und schlafe wie ein Bär. 1540 hinunter und über 2000m hoch fordern ihren Tribut, aber den zahle ich gerne <E>:D</E>
Etappe 4: Glungezerhütte - Lizumerhütte (7 Tuxer Summits)
Für den Abend ist ein wenig Regen und eine kleine Gewitterneigung für die Alpe Lizum angesagt. Also wird beim Frühstück nicht getrödelt. Ich lerne Clara aus Irland und Daniel aus Kanada kennen, die München-Venedig komplett wandern wollen und happy sind, dass jemand die Beschreibungen in ihrem Guide ein wenig konkretisieren kann.
Um 7:30 geht es los, ganz ohne Regen, Schnee und Wolken! Der Weg auf den Kämmen von Gipfel zu Gipfel führt auf und ab durch Blockwerk, und links und rechts geht es immer wieder steil hinunter. Es ist sonnig, aber nicht zu heiß, perfekter kann das Wetter für diesen Teil meiner Tour kaum sein. Das Wandern ist ein purer Genuss, und meine Füße finden instinktiv den richtigen Tritt über die wild hingeworfenen Felsbrocken. Mein Blick schweift zum Alpenhauptkamm, über Karwendel und Rofan, die Kitzbühler und Stubaier Alpen. Ich bin mittendrin in den Bergen.
Irgendwann geht es dann wieder stetig bergab. Am Naviser Jöchl haben sich ein paar Wolken zu einer größeren, dunkleren vereint und der Wind frischt auf. Die ersten Tropfen klingeln laut auf meine Thermosflaschen, und sicherheitshalber streife ich die Regenjacke über und mache den Rucksack wasserfest.
Es bleibt aber bei einzelnen Tropfen, und ich erreiche die Lizumerhütte trockenen Fußes.

Etappe 5: Lizumer Hütte - Tuxerjochhaus
Ich habe einen regenbedingten Pausentag eingelegt. Bei schlechtem Wetter über das Geierjoch zu gehen macht keinen Spaß, und der Weg die Steilwiesen vom Gschützspitzsattel ins Weitental hinunter ist bei Nässe auch nicht toll. Andere haben das selbe getan. Mit Anton und Lee, dem Hüttenwirtspaar, sind nicht alle wirklich klargekommen. Zwischen tiroler Brummigkeit und asiatischer Beflissenheit die Gäste nicht unversorgt zu lassen fühlen sich manche unnötigerweise etwas unter Konsumdruck gesetzt, und die Versuche, nach Möglichkeit allen Halbpension zu verkaufen, helfen dabei nicht.
Das Regenband ist aber an Tag 6 wieder vorbei, und die letzten dunkleren Wolken verziehen sich während des Aufstiegs zum Geierjoch. Oberhalb des Junsees mache ich eine kurze Pause und genieße den fotogenen Ausblick.
Auf dem Weg zum Sattel hinüber wird es heiß. Die Berge rund herum schirmen den Wind fast komplett ab, und über das schwarze Geröll zum Gschützspitzsattel hoch komme ich zum ersten mal richtig ins Schwitzen. Oben bläst dann aber ein angenehmes Windchen, und ich kühle langsam wieder ab. Der grüne Hügel mit dem Tuxerjochhaus erinnert mich von hier oben aus irgendeinem Grund immer wieder an Geschichten von Mittelerde, und es wäre nicht wirklich verwunderlich, wenn ein paar Hobbits oder Zwerge aus einer Höhle gehüpft kämen. In schnellen Schritten lasse ich meine Beine den nicht immer ganz harmlosen Pfad ins Weitental hinunter laufen, steige dabei fast auf ein faules, fettes Murmeltier das unbeeindruckt auf dem Weg liegt und raste unten kurz, bevor es unter brennender Sonne die Schotterstraße in Richtung Tuxerjochhaus hoch geht.
Das Tuxerjochhaus ist wie immer bei schönem Wetter voller Tagestouristen. Die Freundlichkeit des Personals variiert sehr stark. Immerhin gibt es seit kurzem einen Trockenraum in Form eines Containers hinter dem Haus. Das Essen ist mittelmäßig, und echte Hüttenstimmung mag dort einfach nicht aufkommen. Alle, die es noch von früher kennen, wünschen sich das Spannagelhaus als Unterkunft zurück.
Wir haben als kleine Entschädigung einen wunderbaren Blick auf die Gefrorene-Wand-Spitzen im Abendlicht, und morgen früh werde ich eh schon wieder weg sein von hier, deshalb lasse ich mir meine gute Laune nicht verderben.

Etappe 6: Tuxerjochhaus - Olpererhütte
Traumwetter und Traumweg. So lässt sich der Tag zusammenfassen. Letztes Jahr im August war die Olpererhütte komplett überfüllt, so dass ich zur Dominikushütte abgestiegen bin.
Ich mogle ein wenig und fahre mit der Seilbahn bis zur Bergstation Tuxer-Ferner-Haus, denn meine Fersen sind etwas druckempfindlich. Von dort geht es 400m über Geröll und grobes Blockwerk hoch zur "Schlüsselstelle" der München-Venedig-Route, der Friesenbergscharte. Aber das Wetter ist traumhaft, der Weg trocken und die beiden seilversicherten Abschnitte gar kein Problem. Trotzdem hängen manche ins Seil geklammert wie Maikäfer an ein Ästchen. Ich nehme das Seil nur zweimal kurz zur Absicherung in die Hand.
Ab dem Abzweig zum Friesenberghaus wird der Weg paradiesisch. In leichtem Auf und Ab fliege ich über den Pfad, der aus großen Blöcken und Platten arrangiert wurde, in Richtung Olpererhütte. Zum ersten Mal komme ich in diesen "Fluss" wo die Füße ganz von alleine machen was sie sollen und die Zeit wie im Flug vergeht. Die Etappe ist verhältnismäßig kurz, und als ich am frühen Nachmittag auf der Olpererhütte ankomme, bricht die Terrasse fast aus allen Nähten. Ob hier noch ein Schlafplatz für mich zu finden ist?
Er ist. Ein großer Teil der Besucher sind Tagestouristen, die vom Parkplatz am Schlegeisspeicher herauf gelaufen sind. Bis 17:00 Uhr leert sich die Hütte, und die Anzahl der Übernachtungsgäste ist überschaubar. Das Essen ist super und die Hüttencrew nett und hilfsbereit.
Am nächsten Morgen ist zur Frühstückszeit alles noch dunkel und kein Personal zu finden. Die wichtigsten Sachen sind aber schon am Buffet aufgebaut. Ich finde die Lichtschalter, jemand anders Milch im Kühlschrank, und der Kaffee ist dank Zeitschaltuhr schon fertig. Nach gut einer halben Stunde kommt dann auch die Hüttenwirtin und bringt Wurst, Käse, Butter und Joghurt, und es ist ihr anzusehen, dass sie nicht fit ist. Wer kann es ihr verübeln. Der Rummel auf der Hütte ist verrückt, und die Saison dieses Jahr extrem lang und praktisch ohne Regenpausen zum durchatmen.
Etappe 7: Olpererhütte - Stein
Heute ist noch einmal Genusswandern angesagt. Ein wenig auf und ab geht es in Richtung Stein, über dieses Jahr fast ausgetrocknete Wildbäche geht es nach Italien. Der Pfad schmiegt sich an die Hänge und lässt Zeit zum Sinnieren und Durchatmen. Nach guten 3 Stunden passiere ich den Grenzstein zu Italien und bin gleich danach am Pfitscherjoch-Haus, wo es wie immer richtig italienischen Kaffee und ein Stück wunderbaren Kuchens zu Belohnung gibt. Auch wenn die Selbstbedienungstheke dort an eine Kantine erinnert sind Essen + Trinken dort erste Sahne.
Dann geht es hinunter, erst über Steile Hänge und an einer alten Steinbaracke aus dem ersten Weltkrieg vorbei, dann über Wiesen in den Wald hinein. Auf dem Weg lauern immer wieder einzelne Geröllbrocken darauf, unter dem Schuhe wegzurollen, deshalb kann sich Unaufmerksamkeiten nicht leisten.
Im Gasthof Stein gibt es trotz Ruhetag endlich das verdiente Glas Südtiroler Rotwein, serviert von der Oma des Hauses. Der Wein ist leicht, fruchtig und günstiger als Bier <E>:D</E>
Etappe 8: Stein - Pfunders
Im Büchlein sieht die Etappe nicht sehr beeindruckend aus, aber sie ist lang. Nach dem Frühstück geht es erst im Wald hinauf, dann überquere ich den Gliderbach und steige lange und teilweise erstaunlich steil in der prallen Sonne zur Gliderscharte hinauf, und es gibt nicht den Hauch eines Windchens. Um diese Jahreszeit sollte es eigentlich angenehme 10 bis 12 Grad haben, aber selbst auf 2000m hat es noch fast 20 wie im Hochsommer. Aber ich will mich nicht beschweren, von der Kälte hatte ich schließlich letztes Jahr genug. Also schwitze ich den langen Anstieg hoch, kämpfe mich die letzten 200m steinigen Meter zur Scharte und genieße dort die leichte Brise, die über den Kamm weht. Der Grindlberger See funkelt im Sonnenlicht, und ich knabbere meine Waffeln und genieße den Moment.
Schnell habe ich die grünen Weiden der oberen Engbergalm erreicht. Dort ist niemand zu hause, die Saison wohl schon abgeschlossen, also geht es ohne Kaffeepause weiter. Ich träume ein wenig herum während ich nach vager Beschreibung über die Weiden navigiere und finde mich plötzlich ganz pfadlos mitten in einer sumpfigen Wiese, mindestens 100m tiefer als die Straße gegenüber, zur der ich eigentlich kommen sollte. Wieder hoch oder hier weiter, stellt sich die Frage. Dass ich mich verfranst habe ist mir schon mindestens 10 Jahre nicht mehr passiert. Es ist wieder unheimlich heiß, und ich habe keine Lust, 100 Höhenmeter in beide Richtungen zu meinem Tagespensum zu addieren, also Stapfe ich weiter in Richtung des Wildbaches, der einen tiefen Einschnitt zwischen Weiden und Straße gebildet hat. Etwas weiter unten sehe ich dann auch einen von Kühen getrampelten Pfad zu einer Furt und mache mich dorthin auf den Weg. Ein junger Stier macht mir hufscharrend deutlich, dass er mit meiner Pfadwahl nicht einverstanden ist, aber als ich näher an den Weidezaun herangehe reicht ihm das und er fängt wieder an zu grasen.
Meine Schuhe sind noch wasserdicht, das kann ich beruhigt sagen als ich den kleinen Hang zur Straße über schmierige Huftritte hinauf klettere. Noch eine letzte halbe Stunde geht es über geschotterte Fahrwege, dann hält immer mehr Teer Einzug. Die Fußsohlen brennen jetzt mehr als mein dunkelroter Nacken als ich endlich in Pfunders am Gasthof Brugger ankomme, wo ich auch ohne Anmeldung ein Bett bekomme und bald mit meinen irisch-kanadischen Freunden auf den Tag anstoße.
Etappe 9: Pfunders - Kreuzwiesenalm
Nach einem reichlichen Frühstück geht es zuerst mit dem Bus nach Niedervintl. Im kleinen Supermarkt werden die Snack-Vorräte aufgefüllt, dann führt der Weg im Wald am schattigen Nordhang hoch über die Ronerhütte zur Kreuzwiesenalm. Am Anfang wartet banale Forststraße, doch nach einer Weile kürzen steile Pfad den Weg ab und lassen die Höhenmeter nur so nach oben schnellen. Von der verfallenen Leachenalm, an deren hölzerne Ruinen ich letztes Jahr noch vorbei bin, stehen nur noch die steinernen Grundfeste. Ein einheimischer Bauer macht am Wegesrand Bündel aus dünnen Holzscheiten für den offenen Kamin, genug für die nächsten fünf Jahre sagt er, wenn er zwei Bündel pro Tag verfeuert. Er macht 8 Bündel pro Stunde, aber nicht mehr als 30 an einem Tag. Wir ratschen ein wenig über Holzarbeit und die Unterschiede in Südtirol und Bayern.
Der letzte Teil ab der Ronerhütte wird wieder heiß, denn jetzt gibt es keinen Schatten mehr.
Die Kreuzwiesenalm fühlt sich ein wenig paradox an. Sie kann mit entsprechender Genehmigung von Gästen mit dem Auto angefahren werden, und während wir unter den Sonnenschirmen kühlende Getränke schlürfen, schwitzen Touri-Gäste in der kleinen Sauna und räkeln sich dann im hölzernen Bottich zur Abkühlung.
Im Lager im Nebengebäude sind wir nur zu viert, und ich schlafe tief und fest, denn von unter uns herauf wabernden Stallgeruch ignorierend. Zum Frühstück gibt es viel selbst gemachtes, Joghurt, Butter und verschiedene Käse.
Etappe 10: Kreuzwiesenalm - Schlüterhütte
Das Sommerwetter hält noch immer. Auf und ab, mal etwas steiler, meist aber relativ flach, geht es durch Almwiesen zur Maurerberghütte. Der Gampill mit seinem tollen Ausblick wird zum Frühstück so nebenbei mitgenommen. Kurz nach der Maurerberghütte wird es dann etwas steiler. Es geht hinter, dann wieder etwas hinauf, und plötzlich bin ich mitten im zivilisatorischen Wahnsinn des Würzjochs, auf italienisch Passo delle Erbe. Karawanen von Cabrios und Motorräder heulen über die Passstraße, und der einzige Gedanke ist, nur schnell wieder weg von hier.
Schnell folge ich dem anfangs noch breiten Wanderweg in den Puez-Geisler Naturpark und atme tief durch. Eigentlich muss ich wohl nicht mehr erwähnen, dass es heiß ist. Der Weg führt näher und näher an den imposanten Peitlerkofel heran und windet sich dann durch dessen Geröllfelder zur Westflanke herum. Es wieder eine ganz andere Wildheit hier als zum Beispiel im Karwendel, und der erste Vorgeschmack der Dolomiten stellt sich ein. Durch einen langen Einschnitt geht es über Schotter und Blöcke hoch zur Peitlerscharte. Dort öffnet sich der Blick hin zur Puez-Gruppe, und ich kann schon die Roa-Scharte erkennen, die aus der Entfernung ein wenig furchteinflößend aussieht. Gut, dass ich es schon besser weiß.
Das Team auf der Schlüterhütte ist sehr freundlich und das Essen sehr gut. Ich ergattere ein Einzelzimmer - ein wenig Luxus muss sein - und schlafe wie ein Murmeltier.
Etappe 11: Schlüterhütte - Grödnerjoch
Eigentlich ginge die heutige Etappe nur zum Rifugio Boe, aber der Wetterbericht sagt Wolken und Nebel für den Abend und darauf folgenden Morgen voraus. Den Piz Boe haben ich letztes Jahr bei wolkenlosem Himmel zum Frühstück gemacht, deshalb habe ich beschlossen, den Pausentag auf der Lizumerhütte auszugleichen und aus 3 Etappen 2 zum machen.
Heute gehe ich zusammen mit Clara und Daniel, die durch die Beschreibung in ihrem Wanderführer (englischsprachig von Cicerone) ein wenig verunsichert sind. Nach etwa 2 Stunden haben wir schon das steile Geröllfeld zur Roa-Scharte hinauf erklommen und endlich findet sich richtiger Dolomit unter meinen Füßen, griffig, spaltig, jeder Stein ein Griff oder Tritt, wie eine Treppe in den Himmel. Daniel ist nicht ganz schwindelfrei, und so gehe ich mit dem beiden diesmal nicht über die Nives-Scharte sondern den minimalen Umweg über das Val del Roa. Auch hier sind ein paar einfache Kletterstellen drin, und ich stelle schnell fest, dass er auch auf der Normalroute keine Probleme gehabt hätte. Ein paar Wolken treiben dicht über unsere Köpfe, und wir genießen das Gefühl, dem Himmel so nah zu sein.
Ab der Puezhütte lasse ich die beiden davonziehen. Ich genehmige mir ein Stück Käsekuchen und einen Cappuccino (ja, ich bin ein Banause und trinke Cappuccino zu jeder Tageszeit), ignoriere die Karawanen von Tagestouristen, die vom Grödner Joch heraufziehen und schwelge in den Kontrasten der Landschaft um mich herum.
Irgendwann muss ich dann aber doch aufbrechen und schlendere den einfachen Weg zum Crespeina- und Cir-Joch entlang, dann steige ich mit Blick auf die Sella zum Grödnerjoch ab wo ich im Rifugio Frara übernachte.

Etappe 12: Grödnerjoch - Viel dal Pan
Die erste Hälfte dieser Tagesetappe ist durchaus nicht zu unterschätzen. Nach einem kurzen Stück auf dem im Morgentau rutschigen Steig vom Passo Gardena zum Kar val Setis geht es über Schotter in allen Größen steil hoch in Richtung Rifugio Pisciadu, und die Waden protestieren dabei ein wenig. Nach 300hm komme ich dann aber zu richtigem Fels, und an Seilversicherungen entlang (die wie immer oft die schönsten Griffe blockieren) klettere ich die letzten 100m hoch und überquere den kleinen Kamm zur Hütte. Ein wenig unterhalb ist der zugehörige See, der dieses Jahr nur halb so viel Wasser hat wie letzten Sommer. Im August brummt hier der Wanderverkehr, aber heute sind nur 2 andere Wanderer mit mir an der Hütte.
Nach einer kurzen Stärkung geht es weiter hinauf, an der Flanke um den See herum über feinen Schotter bis endlich wieder Stahlseile in Sicht kommen. Tritte und Stifte helfen beim Aufstieg, und auch nach dem Abzweig zur Cima Pisciadu 100 Meter höher darf ich die Hände das ein oder andere Mal an den Fels legen.
Dann betrete ich das Hochplateau und bin wieder überwältigt von der Felswüste. Es fühlt sich an, als würde man einen anderen Planeten betreten. Je nach Licht glaubt man sich fast auf dem Mond oder Mars.
Hier ist es endlich auch einmal kühl, und die dampfende Minestrone am Rifugio Boe sehr willkommen. Scharen von Tagestouristen kommen vom Sasso Pordoi herüber gelaufen, zu dem sie mit der Seilbahn vom Pordoi-Joch aus hochgefahren sind. Ich ignoriere sie so gut ich kann und schwelge im leichten Nebel in Erinnerungen an wolkenlose Moment hier heroben.
Dann geht es auch für mich inmitten der Karawane hinüber zur Pordoi-Scharte und über die Geröll-Rinne hinunter zum Joch, wo ich mich nicht lange aufhalte. Auf schmaler werdendem Pfad geht es wieder hoch, am hoffnungslos überteuerten Rifugio Fredarola mit seiner Musikbeschallung vorbei und in leichtem auf und ab durch steile Wiesen zum Rifugio Viel dal Pan mit seinem grandiosen Ausblick auf die Marmolada.
Im Viel dal Pan sind wir nur zu viert. Ich, eine junge Frau die München-Venedig machen wollte aber nicht allein gehen will, zu spät angefangen hat um Mitwanderer zu finden und einen ganzen Teil übersprungen hat, und zwei Mountainbikefahrer aus dem Münchner Raum von denen einer kurz vor dem Rifugio gestürzt ist aber außer ein paar Prellungen, einem Platten und einem verlorenen Telefon keine ernsthaften Verluste zu beklagen hatte.
Letztes Jahr war ich (abgesehen von der Aussicht) nicht besonders begeistert am Viel dal Pan. Diese Jahr, in der Nachsaison, ist mein Eindruck ein komplett anderer. Ich beobachte denn Sonnenuntergang und treffe einen gar nicht scheuen Fuchs gleich neben der Hütte. Nach einem wunderbaren italienischen Abendessen schlummere ich friedlich im "Lager", einem 6er-Zimmer in dem wir zu zweit sind.

Etappe 13: Viel dal Pan - Alleghe
Ein reichliches Frühstück später bin ich auf dem Weg nach Alleghe. Clara und Daniel haben am Passo Pordoi übernachtet und bereuen das, als sie am Viel dal Pan vorbei wandern und die Marmolada nur mit dem Gipfel in Wolken sehen.
Mein Plan, die Hälfte der Strecke nach Alleghe mit dem Bus zurückzulegen und mir so einige Kilometer auf der Teerstraße zu ersparen scheitert leider, denn ab dem 12.9. gilt der Winterfahrplan. Da gibt es keinen Bus mehr... Die für Autos gesperrte Teerstraße am rechten Ufer des Lago di Fedaia entlang wartet immerhin mit einigen fotogenen Momenten auf.
Der obere Teil des Abstiegs über die Skipiste ist steil und absolutes Gift für die Knie. Weiter unten, wo es flacher ist, macht es dann wieder Spaß, auf federndem Boden über die grünen Wiesen zu laufen. Dann aber geht es wieder auf die Teerstraße, und Knie und Füße fangen an, sich zu beschweren. Ich bin sehr schnell unterwegs, aber die Zeiten im Wanderführer sind kaum machbar. Ich zahle 2,50€ damit ich - weiter auf einer Teerstraße - 3km durch die Klamm von Sottoguda laufen darf. Jetzt gibt es endlich wieder einen Kiesweg, mit Nordic-Walking-Tafeln mit Längen- und Kalorienangaben der einzelnen Abschnitte bis Alleghe, aber der Weg ist frisch gewalzt und hart wie Beton. Am Bachlauf entlang zieht sich der Weg in die Länge. Kurz nach Soraru holen mich Clara und Daniel dann ein, mit etwas weniger Pausen und als frühere Bergläufer sind sie immer mindestens einen Tick schneller als ich. Gemeinsam kämpfen wir uns die letzten heißen und harten Kilometer nach Alleghe hinab. Neidisch schiele ich auf die federnden Laufschuhe der beiden, während meine Bergstiefel jeden Schritt mit einem leisen "Klack" untermalen. Am rechten Knie fängt mein Außenband an, lautstark zu protestieren.
Ich habe über das Handy ein Zimmer im Hotel Alleghe gebucht, das in der letzten Kurve am Ortsausgang liegt. Die Treppe zum Eingang des zugehörigen Restaurants stellt nach diesem Tag eine echte Herausforderung dar, aber ein wenig später bin ich eingecheckt und kühle meine Füße unter der Dusche bis sie fast taub sind.
Es ist ruhig in Alleghe. Die Saison ist vorbei und es sind kaum Touristen am wunderbar gelegenen See. Es hat am Abend immer noch über 20°C. Wir essen richtig italienische Pizza und trinken viel Rotwein, und zur Nachspeise gönne ich mir ein Tiramisu.
Morgen, beschließe ich, werde ich mir einen ruhigen Tag gönnen und mit der Seilbahn zum Col dei Baldi hochfahren. Dann sind es nur 3 Stunden Gehzeit zum Refugio Tissi.

Etappe 14: Alleghe - Rifugio Tissi
Es hat etwas gedauert, bis meine Füße sich soweit beruhigt haben, dass ich einschlafen konnte. Ein frisches Croissant zum Frühstück lässt die Welt aber gleich wieder anders aussehen. Ich nehme mir die Zeit - es ist ja nur ein kurzer Tag - und schicke ein paar Dinge, die ich definitiv nicht mehr brauche, mit der Post nach Hause um Beine und Rücken für die letzen Tage etwas zu entlasten: die Grödel, den Biwaksack, den Sommerschlafsack, den Kocher, das Gas, den Topf und das Porridge.
Motiviert schlendere ich um halb zehn zur Seilbahnstation und stelle fest, dass gestern der letzte Betriebstag war, was einen zusätzlichen Aufstieg von 950hm bedeutet.
Ich könnte mich natürlich in den Hintern beissen, aber es hilft nichts. Also quäle ich meine geschundenen Füße den Berg hoch. Zumindest ist der größte Teil des Anstiegs im Schatten, und ich fresse erstaunlicherweise die Höhenmeter nur so. Ganz nebenbei schwitze ich mir den Wein von gestern aus allen Poren.
Nach einer kurzen Pause am Rifugio Coldai gehe ich weiter, jetzt in der prallen Sonne, und komme über einen kleinen Kamm zum Lago Coldai. Hier herrscht richtig Trubel, aber die Wanderer hier haben zu kleine Rucksäcke für eine längere Tour. Tatsächlich bleiben sie am See sitzen oder Kehren kurz nach dem Kamm wieder um. Ich dagegen steige nach einem kurzen Anstieg über Geröll zur Forcella Col Rean ab und quäle mich dann schwitzend die letzte halbe Stunde zur Tissihütte hoch. Vom Balkon der Hütte schallt es mir schon entgegen "The entrance is upstairs". Auch die vor mir angekommenen sind wohl auf der letzten Rille hier hoch geschlichen und wissen, wie zäh jeder sinnlose Schritt jetzt ist. Ich bin froh über die 1700g, die ich heute nicht mehr tragen musste, denn mein Knie ärgert mich noch immer.
Das Essen ist spärlich. Die Matratzen haben in der Mitte so tiefe Kuhlen, dass sich Ober- und Unterseite berühren. Ich habe gottseidank ein paar Segmente meiner Z-Lite Isomatte im Rucksack und kann das Loch damit ein wenig ausgleichen. Wirklich gut schläft aber keiner.

Etappe 15: Rifugio Tissi - Rifugio San Sebastian
Das Frühstück ist nicht besser als das Abendessen.
Nach dem eher mäßigen Aufenthalt auf der Tissihütte beschließen Clara, Daniel und ich die heutige Etappe etwas zu verlängern und noch die gute halbe Stunde zum Passo Duran weiterzugehen.
Der Weg führt am Fuß von Civetta und Moiazza entlang. Steile, zerfurchte Wände Recken sich neben mir in den Himmel. Der wechselt zwischen einem schmalen Pfad zwischen massiven Steinquadern, Forststraßen, Geröll und zu überkletternden Blöcken. Ich bin ein wenig erschöpft und kann die Natur um mich nicht so genießen wie ich es gerne möchte. Eventuell, stelle ich fest, ach wo, ganz sicher hätte ich irgendwo einen zweiten Pausentag einlegen sollen. Spätestens in Alleghe. So motiviert mich nur ein schneller Cappuccino und ein Schokoladenkuchen im Rifugio Vazzoler. Kalorien! Ich bin jetzt an dem Punkt, an dem ich immer essen könnte. Hiker Hunger nennen es unsere Kollegen jenseits des Atlantiks. Zum Glück habe ich einen Stoffgürtel in meiner Wanderhose, den ich beliebig eng ziehen kann, denn ich habe auf der Tour schon fast zwei Jeansgrößen verloren - was nicht negativ ist. Wenn es aber noch viel länger so weiter ginge müsste ich aufpassen und meine Kalorienzufuhr hochschrauben.
Zwischen Steinblöcken und Latschen geht es etwas auf und ab zum Rifugio Bruto Carestiato, wo ich mich kurz ausruhe bevor es die letzten 200m zum Passo Duran hinabgeht.
Die Matratzen hier sind zwar auch nicht neu aber deutlich besser. Frisch geduscht steigt meine Motivation wieder. Mein Ziel für diese Tour, Belluno, ist langsam in Sichtweite. Das Essen ist ein Traum, und wir stoßen zusammen mit einem amerikanisch-französischen Paar auf die lange Etappe an.
Etappe 16: Rifugio San Sebastian - Rifugio Pian de Fontana
Die heutige Etappe ist lang, deshalb frühstücke ich ausgiebig. Clara und Daniel wollen noch weiter zum Rifugio Bianchet und gehen schon vor mir los. Für den Nachmittag soll die Gewitterwarscheinlichkeit über 50% steigen, und so packe ich dann doch schnell und mache mich auf den Weg.
Der erste Teil des Weges ist noch schattig, und so komme ich relativ zügig vorwärts. Nach weniger als drei Stunden erreiche ich die Forcelle del Moschesin - bzw. was ich dafür halte, lese auf einem Wegweise zum Agritourismo Pramperet versehentlich Rifugio Pramperet und nehme einen falschen Abzweig. Meine Beine fliegen so richtig den Berg hinab, und ich träume ein wenig beim Laufen von einem kalten Getränk und Spaghetti Ragu, grinse und... denke plötzlich: "Verdammt. So weit runter dürfte es doch gar nicht gehen!" Mein Höhenmesser zeigt mir 1600m, dabei sollte es nach der Forcella nur knappe 100m runter gehen. Auf der falschen Talseite bin ich auch. Oh jeh. Es hilft nichts. Ich muss mich die 300m wieder im Sonnenschein hochquälen, finde dann denn richtigen Abzweig, von dem es die restlichen 50m zur Forcella hochgeht und eile hungrig und durstig drüben wieder runter, diesmal in Richtung des echten Rifugio Pramperet.
Es gibt keine Spaghetti Ragu. Nur "Spatze", geschmacksarme Spätzle in Spinatgrün mit undefinierbarem Käse, die wie Blei im Magen liegen. Die einzigen gekühlten Getränke sind Bier und Radler, also nehme ich letzteres.
Aber hier gibt es keinen Schatten mehr. Es wird schwül. Ich sehe wie sich langsam Wolken über der Cima de Cita auftürmen und der Aufwind wilde Schwaden über die Sättel treibt. Das ganze gefällt mir ganz und gar nicht, es sieht nach mindestens Regen, eventuell sogar einem kleinen Gewitter aus, und ich muss auf 2400m nur 50m unter dem Gipfel den ausgesetzten Grat hoch. Ich rechne ein wenig, und mir bleibt nur ein Fenster von etwa einer Stunde. Also gebe ich Gas, quäle mich das Hochplateau hinauf und über das unangehnehme Geröll. Die Wolke fängt direkt neben mir an, einen Amboß zu bilden, und der Wind wird stärker. Der Grat ist traumhaft, nur gute 50m aber mit genialer Aussicht und wunderbarem Fels. Ich würde zu gerne ein wenig hierbleiben und das genießen, aber stattdessen haste ich ganz hoch und auf der anderen Seite hinab. Die ersten Regentropfen treffen mich und ich gebe noch etwas mehr Gas.
Die 1,5 Stunde zum Pian de Fontana dauern nur 40 Minuten. Ich habe kaum den Rucksack unter dem Vordach abgesetzt, als es zu regnen beginnt. Ein Blick zurück zeigt mir aber, dass der Wind gedreht und den Wolkenturm über der Zita zerblasen hat. Übrig ist nur eine breite, schwere Wolke die langsam ihre Spannung verliert.
30 Minuten später klart der Himmel schon wieder auf. Ich ergattere zwei Duschmarken - nach einer wird erst einmal das Wasser warm - humple zum Lager, spüle den Schweiß und das Adrenalin ab und fülle dann in der Hütte meine Kalorien- und Flüssigkeitsspeicher wieder auf.
Mein Knie zwickt wieder ziemlich unagenehm, sobald es abwärts geht. Ganz unten in meinem Rucksack ist meine Klettersteigausrüstung, und der Helm baumelt am Rucksack. Außer mir ist aber nur einer auf der Hütte, der die Schiara gehen will. Mit so wenig "Verkehr" will ich nicht mit dem Handicap 600m im Klettersteig absteigen, und schweren Herzens lege ich mich fest, morgen nach Belluno abzusteigen. Zumindest kann ich so dort übernachten und komme dann zu einer "normalen" Zeit zuhause an und nicht erst um Mitternacht.
Etappe 17: Rifugio San Sebastian - Belluno
Das Frühstück ist überschaubar, aber ausreichend. Es geht noch einmal 250 Meter hoch, dann fast 1500m hinunter. Der erste Teil ist ein wunderschöner Pfad durch den Wald, doch zwei Drittel des Weges und der Großteil des Abstiegs führen einen Forstweg hinab. Zumindest die letzten 200m sind wieder ein echter Steig. Ein wenig Schwermut setzt ein. Viel zu schnell bin ich unten an der Teerstraße angekommen und suche mir ein schattiges Plätzchen auf einer Wiese nahe der Bushaltestelle. Es sind noch 2,5 Stunden bis der Bus kommt.
Ich blättere ein wenig in den Fotos der Tour und muss wie immer staunen, als ich mich an all die Eindrücke und Erlebnisse erinnere die ich in den gut zwei Wochen hatte und von denen ich noch lange Zehren werde.
Im überfüllten Bus geht es nach Belluno. Ein kleines Hotel in der Stadtmitte hat ein Zimmer für 50€. Ich verabschiede mich bei ein paar Gläsern Rotwein von Clara und Daniel, die seit der Glungezer Hütte zu Freunden geworden sind und ihren Weg nach Venedig morgen fortsetzen, und plane dann beim Abendessen die Heimreise.
Fazit
Im letzten Jahr hatte ich mir auf den "Flachlandhatschern" von München nach Lenggries schon rundherum Blasen gelaufen die mich die ganze Tour gequält haben. Dieses Mal haben zwar auch meine Fersen auf dem Stück vom Hallerangerhaus bis zur Glungezerhütte etwas gelitten, aber ich bin noch ohne blutige Stellen davongekommen und mit ein wenig Pflaster war das ganze schnell ausgestanden.
Bei den Hüttenunterkünften ist die Streuung groß. Ich würde mir manchmal weniger Luxus wünschen und dafür mehr Fokus auf das was wichtig ist: gutes, reichliches Essen und vernünftige Schlafgelegenheiten. Anstatt auf 2600m Höhe 50°C heißes Duschwasser bereitzustellen, sollte man einen Teil des Geldes besser darin investieren, die quietschenden Türen zu ölen und einen Löffel mehr auf den Teller zu legen. Machmal - speziell zu nennen sind (auch durch Mitwanderer bestätigt) Tuxerjochhaus, Pramperet und Bianchet - fühlt man sich als Hütte-zu-Hütte-Wanderer als lästiges Ärgernis behandelt das nur den guten Umsatz mit den Tagestouristen stört. Insgesamt jammere ich dabei aber auf relativ hohem Niveau.
Bei schönem Wetter ist die Tour die schönste, die ich jeh gemacht habe, und sich die verschiedenen geologischen Abschnitte und Kulturkreise zu erwandern lässt keine Eintönigkeit aufkommen. Ich habe viele wunderbare Menschen getroffen, seien es Wanderer aus aller Herren Länder, das Hüttenpersonal oder Einheimische.
Konditionell war das Unterfangen nicht ohne. Ich habe im Schnitt pro Tag 1024m im Aufstieg und 1074m im Abstieg gemacht, Ruhetag nicht eingerechnet, und die Hitze war teilweise sehr intensiv.
Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit war ich wieder mit einem "Rückenwärmer" unterwegs, also einem Rucksack ohne Rahmen und Lüftungsgewebe. Zur Stabilisierung dienten 6 Segmente einer Thermarest Z-Lite Isomatte, was erstaunlich gut funktioniert hat. Rucksack + Matte zusammen kamen auf 770g, und mir blieben noch 30L nutzbares Volumen.
Die Karbonstöcke (130cm, 316g/Paar) durften mit auf ihre zweite Tour und haben klaglos alles mitgemacht.
Die 5500mAh Powerbank hat problemlos ausgereicht, um das Handy und den E-Reader geladen zu halten bis wieder eine Steckdose in Reichweite war. Den Guide hatte ich eingescannt und als PDF auf das Handy geladen. Die Tracks hatte ich noch auf meine Garmin-Uhr geladen, die hat aber kurz vor dem Karwendelhaus das Zeitliche gesegnet. War ja auch schon 2 Wochen aus der Garantie heraus...
An Klamotten durften 2 Merino-Unterhosen, 2 Paar Merino-Socken, ein dünnes Merino Longsleeve für den Tag (Sonnenschutz, da ich Sonnencreme nicht vertrage), eine leichte Zip-Off-Hose, ein Funktions-T-Shirt für den Abend, die dünne Fleezejacke und eine lange Laufhose mit. Dazu Crocks für die Hütte, der Buff, die Kappe und ein Fahrradhandschuh. Der andere hat im Kofferraum auf meine Rückkehr gewartet. Das Waschen und Trocknen der Kleidung war nach langen Tagen nicht immer ganz einfach. Je südlicher desto kein Trockenraum ist wohl die Devise, und ein paar Mal habe ich die Kleidung dann am nächsten Tag am Körper trocknen lassen. Bei den immer noch sommerlichen Temperaturen war das kein Problem. Ansonsten wäre auch noch die PacLite-Regenkleidung im Rucksack gewesen um für zusätzliche Wärme zu sorgen.
Unterwegs war ich (ohne Wasser und Verpflegung für den Tag) mit ca. 9,5kg Gewicht, davon die 1700g Biwak- und Kochausrüstung die ich in Alleghe zurückgeschickt habe, 2200g getragener Kleidung inkl. Stiefel und 650g Klettersteigausrüstung die ich letztendlich nicht gebraucht habe. Die Tour hätte sich also mit <5kg Basisgewicht am Rücken machen lassen, obwohl ich nicht "stupid light" unterwegs war (im Gegenteil, da waren auch noch das Notizbuch, ein umfangreiches Erste-Hilfe-Set, eine gute Stirnlampe etc.)
Ein Nebeneffekt der Tour: mein Englisch ist wieder komplett auf Vordermann. Der Großteil der Langstreckenwanderer, denen ich begegnet bin (sei es München-Vendig oder die sich Abschnittsweise damit überschneidenden Dolomiten-Höhenwege 1 und 2), war aus englischsprachigen Ländern (vor allem USA, Kanada und Irland) und Holland. Wie es aussieht hat der Cicerone-Verlag hier eine Marktlücke für sich erobert, und Buchungsagenturen schießen aus dem Boden, die die entsprechenden Hütten vorreservieren, Flüge buchen, Guides zum selbstausdrucken verschicken (Qualität eher grenzwertig) und Vereinbarungen mit Taxi-Unternehmen in der Nähe möglicher Ausstiegspunkte haben. Das könnte eine Entwicklung geben, die in den nächsten Jahren Wellen schlägt.