Ein paar Tage im Steinernen Meer / Juli 2021 / Peter-Wiechenthaler-Hütte
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- BitPoet
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- Registriert: 17. Jun 2018, 18:46
- Interessen: Langstreckenwandern, Schreiben, Lesen, Kochen (und natürlich Essen...). Ja, ich bin ein Genussmensch :-)
Ein paar Tage im Steinernen Meer / Juli 2021 / Peter-Wiechenthaler-Hütte
Eigentlich hatte ich ja geplant, den Albsteig/HW1 weitestgehend komplett von Donauwörth nach Tuttlingen mit dem Tarp zu wandern, aber eine Mischung aus Pech mit dem Wetter, fehlenden Skills, umständlichen Corona-Regeln und allgemeiner Genervtheit haben die Tour dann rapide gekürzt. Angesichts der Wetterkapriolen war es dann gar keine falsche Entscheidung, nach etwas mehr als einem Tag und 60km abzubrechen, meinen Daunenschlafsack zum Trocknen aufzuhängen und mir eine Alternative zu überlegen. Also bin ich am Montag nach Hause und habe den Dienstag damit verbracht, Pläne zu schmieden.
Das schlechte Wetter sollte sich gemäß MeteoBlue weitgehend nördlich der Alpen abspielen, und mein Augenmerk fiel natürlich auf mein Haus-und-Hof-Gebiet, das Steinerne Meer. Die üblichen Hütten waren wegen der Corona-Einschränkungen aber schon ausgebucht, bzw. mussten aus technischen Gründen (Riemannhaus) sogar einen Großteil der Buchungen stornieren.
Dunkel erinnerte ich mich noch an eine kleine Hütte am Südwestrand des Steinernes Meeres, die Peter-Wiechenthaler-Hütte bei Saalfelden, auf der ich mit 12 Jahren mal war. Ein Blick auf die Homepage zeigte, dass die kleine, enge Hütte aus meiner Erinnerung erst vor kurzem wunderschön renoviert und angebaut wurde, und es waren noch genug Betten frei. Dazu kam auch noch der Vorteil, dass mir meine erste Corona-Impfung ab Freitag in Österreich den "geimpft"-Status einbringen würde und ich von lästigen Testpflichten befreit wäre.
So habe ich erst mal eine Nacht in Saalfelden und 3 Nächte auf der Hütte gebucht. Die weiteren Planungen würde ich dann spontan machen, je nach Wetter und Befindlichkeit.
Mittwoch
Am Mittwoch fahre ich noch schnell testen in die Statt, dann gondle ich mit der Bahn über Salzburg nach Saalfelden und gehe gemütlich zu meiner etwas außerhalb in Ramseiden gelegenen Pension Hartl. Das Zimmer ist super sauber, hat einen Balkon und ein kleines aber blitzblankes Bad. Die Pensionswirtin ist etwas überrascht, als ich ihr Angebot ausschlage, dass sie mir eine Touristenkarte für die kostenlose Bus-Benutzung ausstellt, aber ich bin an dem Tag erst 13000 Schritte gegangen, und ich bin ja im Wanderurlaub. Ich gehe nochmal zurück nach Saalfelden, kaufe mir eine Packung Duplo als Gipfelschoki und Notfallreserve, eine neue Landkarte vom Steinernen Meer (meine alte von 1998 hat Saalfelden ausgespart und die Ecke der Legende geopfert) sowie 2 Schnelltests für den Fall, dass ich auf deutschen Hütten nachweispflichtig werde, und lege mich kurz vor Sonnenuntergang schlafen. Draußen geht ein unangenehmer Wind, und es ist ein Gewitter angesagt. Das kommt dann auch, aber ich kriege schon nichts mehr davon mit.
Donnerstag
Als ich um 5:15 Uhr aufwache ist alles nass, die Sonne scheint und der Dampf steigt von den Wiesen auf. Ein sehr leckeres Frühstück und einen viel zu langen Ratsch mit den anderen Pensionsgästen später habe ich bezahlt, gepackt und mache mich auf den Weg zur Peter-Wiechenthaler-Hütte. Aus grauer Vorzeit erinnere ich mich noch an einen Weg, der knapp innerhalb des Waldes an den Bergen entlang nach Nordosten bis Bachwinkl führt, und meine alte Karte hatte den auch noch drin. Trotz Wegweiser zum Weg und altem Drehkreuz finde ich mich aber auf einer weglosen Kuhweide wieder. Da das Milchvieh sehr entspannt herumliegt, stapfe ich eine Weile auf und ab und halte Aussschau nach dem Weg. Irgendwann glaube ich, dass ich ihn gefunden habe, und folge ihm. Leider wird der Weg immer sumpfiger und die Huftritte immer tiefer. Nach 20 Minuten muss ich mir eingestehen, dass hier nichts zu holen ist, und dann empfiehlt mir auch noch ein Schild vom Österreichischen Militär ganz nachdrücklich, die Wiesen hier nicht zu betreten. Ich steige zum Weidezaun ab und quäle mich noch mal 10 Minuten durch tiefen Matsch, bis ich etwas unter mir eine Aussichtsbank samt zugehörigem Pfad zurück in die Zivilisation erspähe.
Ich folge dann dem Radweg weiter bis zum Parkplatz Bachwinkl, wo endlich der Aufstieg zur Hütte losgeht. Die Wolken über mir werden schon wieder dichter und es ist ziemlich schwül, aber der Weg ist angenehm zu gehen und gut in Schuss.
Die Höhenmeter schießen nur so nach oben, und obwohl ich ausgiebig Pausen mache, bin ich kurz vor Mittag schon oben. Die letzten 5 Minuten gehe ich tatsächlich noch im warmen Sommerregen. Auf der Hütte werde ich von der Wirtin Christiane freundlich empfangen und bin flugs eingeschekt. Ich bin allein im 2er-Zimmer und soll es auch bleiben. Ich gönne mir eine leckere Speckknödelsuppe während draußen die Schleusen aufgehen und die nach mir ankommenden fast wieder den Berg herunterspülen. Die Hütte ist vor 2 Jahren toll renoviert, mit einem lauschigen, modernen Gastraum als Anbau mit Panorama-Fenstern nach Süden und Westen so dass man weit auf den Alpenhauptkamm mit seinen vergletscherten Nordhängen und näher auf die östlichen Tiroler Alpen schauen kann.
Für eine Tour am Nachmittag ist es zu schmuddelig, deshalb verbringe ich viel Zeit auf der Terrasse unter dem Vordach, studiere den Wetterbericht und überlege mir, wie es die nächsten Tage weiter geht. Auch bei schlechtem Wetter ist die Aussicht hier famos.
In der Nacht gewittert es wieder, aber ich bekomme davon nichts mit. Mein 13°C-Schlafsack und mein geliebtes S2S-Kissen sind perfekt für die Hütte, und die Matratze ist angenehm fest.
Freitag
Die Nachwirkungen des vielen Regens hängen heute noch in der Luft und auf dem Boden. Gleich auf der anderen Seite des Alpenrands, nur 50km Luftlinie, ist wohl fast die Welt untergegangen, aber hier war es ein normales, intensives Sommergewitter. Für Ausflüge in schwieriges Terrain ist es trotzdem noch zu nass, deshalb beschließe ich beim Frühstück, durchs Steinerne Meer zum Kärlingerhaus am Funtensee zu gehen. Dort bin ich seit gefühlten Ewigkeiten einmal im Jahr, so dass es schon fast ein Ritual ist, dort vorbei zu schauen. Natürlich verratsche ich mich noch viel zu lange, so dass es schon nach 9 ist, also ich endlich los komme. Von der Hütte aus geht es erst einmal eher flach unterhalb des Persailhorns und Ahlhorns Hang entlang, bevor der Weg zunehmend steiler zur Weißbachscharte bis auf 2261 hoch führt. Fast steige ich auf einen Salamander, der regungslos in einer kleinen Kuhle in einer Stufe posiert.
Der Weg hier hat ein rotes Pünktchen, ist also als mittelschwer eingestuft. Ich muss ein wenig schmunzeln, denn es hat einige Seilversicherungen an ausgesetzten Stellen, Geröll und nicht ganz einfache felsige Stufen. Näher am touristischen Wahnsinn des Königssees wäre er tiefschwarz.
Nach einer kurzen Pause auf der Scharte um die Aussicht zu genießen geht es dann zackig wieder 100hm über Geröll und fein drapiertes Blockwerk runter zum Praterstern, dem Wegkreuz, an dem zu den 3 Hütten im Steinernen Meer verzweigt wird, dem Ingolstädter Haus, dem Riemannhaus und dem Kärlingerhaus. Letzteres liegt gerade voraus, und der Weg führt quer durch die Karstwüste. Rund herum liegen gefrorene Wellen aus Kalkstein, und in langen Jahrtausenden hat das Wasser tiefe Furchen hinein geschnitten. Dort wo Gras und Blumen wachsen ist die Humusschicht nur dünn, und eine Herde genügsamer Schafe tut ihres dazu diese Mondlandschaft zu erhalten. Ihr Blöken ist über Kilometer zu hören.
Mein Weg windet sich angenehm über den rund geschliffenen Fels dahin. Es braucht gute Sohlen, dann fliegen die Füße über den Untergrund und finden nur durch Reibung ihren Halt.
Zwischendurch muss ich einen kleinen Umweg über den Schrofenhang machen, weil auf dem Steig eine Schafmama ihren zwei oder drei Tage alten Nachwuchs bewacht und mich das mit nachdrücklichem Huf-Klopfen und tiefem Mähen wissen lässt.
In langsam Auf und Ab durch bizzarre Felsen und vereinzelte, knorrige Überreste von Bäumen geht es langsam tiefer, bis ich mich nach einer knappen Stunde dem Hirschtörl nähere, wo ich auf den Weg vom Hundstodgatterl einschwenke, der ins Wimbachgries, das wieder eine ganz andere Art von Wüste ist, hinüber führt. Ich gehe weiter durch lichten Wald und lege die letzten 200hm über einen schlüpfrigen Steig zurück. Kaum verlasse ich die Bäume, füllt sich die Luft mit dem Pfeifen der Murmeltiere. Die regenreichen Wochen haben ihnen gut getan. So wohlgenährt sehen sie in anderen Jahren erst im August aus.
Wohlgenährt fühle ich mich auch nach einer guten Portion Bratkartoffeln mit Spiegelei und einem hochgradig isotonischen Radler. Die Sonne ist mir heute leider nicht wohl gesonnen und lässt den Funtensee im Schatten liegen.
Nach ein wenig Fachsimpelei über die verschiedenen Wege und Berge in dieser Ecke mit einem anderen "Wiederholungstäter" und einem leckeren Stammgästeschnapps (vielen Dank, Marion!) mache ich mich wieder auf die Socken. Es ist schon 14:30, und um 17:50 wartet ein Schnitzel auf mich. Die offizielle Gehtzeit sind 3:30, und ich bin ja im Moment nicht gerade fit. Zum Glück fallen mir mangels Training nur die Aufstiege etwas schwerer. Zurück sind es etwa 800m davon, und 700m wieder runter. Trotzdem muss ich zwischendurch nochmal etwas mit den Schafen plaudern. Denen geht Corona z.B. komplett am Fell vorbei, und von Maskenfplicht haben sie noch nie etwas gehört. Zwei weiße Lämmer hüpfen wild im Kreis umeinander von Fels zu Fels und haben eine riesen Gaudi dabei während Mama Schaf versucht, die beiden weiter vom Weg weg zu locken. Warum nur muss ich gerade an meine beiden kleinen Neffen denken?
Die letzten Meter hoch zur Scharte muss ich dann ein wenig schnaufen, und als ich oben bin, kommt auch die Sonne raus. Trotzdem lasse ich die Füße laufen so gut es geht und komme auch mit 15 Minuten Puffer an der Hütte an. Das erste Radler verdunstet auf dem Weg vom Glas in den Mund, und die zwei Schnitzel sind super lecker. Für die Nachspeise habe ich keinen Platz mehr, aber ein Espresso geht immer.
Nach einer lohnenswerten Investition von 3€ in eine Duschmarke bin ich dann auch wieder olfaktorisch präsentabel. Ich plausche noch mit anderen Gästen, schaue mir den Sonnenuntergang bei einem leckeren Glas Wein an und krabble als es dunkel wird glücklich und müde in meinen Schlafsack.
Ich hatte ja ursprünglich 3 Nächte hier gebucht, aber es wäre kein Problem, auch etwas länger zu bleiben. Während ich langsam in den Schlaf sinke, steigt die Überzeugung, dass ich das tun sollte. Seit Jahren bin ich eigentlich immer auf Tour von Hütte zu Hütte, oder von einem Platz fürs Zelt zum nächsten. Am selben Ort zu bleiben und Abends wieder dorthin zurück zu kommen fühlt sich schon fast fremd an, aber hier taugt es mir. Die Hütte, das Team dort, und die Gäste, das ganze Paket stimmt, und vielleicht ist ja gerade jetzt ein guter Zeitpunkt zu entschleunigen.
...Fortsetzung folgt...
Das schlechte Wetter sollte sich gemäß MeteoBlue weitgehend nördlich der Alpen abspielen, und mein Augenmerk fiel natürlich auf mein Haus-und-Hof-Gebiet, das Steinerne Meer. Die üblichen Hütten waren wegen der Corona-Einschränkungen aber schon ausgebucht, bzw. mussten aus technischen Gründen (Riemannhaus) sogar einen Großteil der Buchungen stornieren.
Dunkel erinnerte ich mich noch an eine kleine Hütte am Südwestrand des Steinernes Meeres, die Peter-Wiechenthaler-Hütte bei Saalfelden, auf der ich mit 12 Jahren mal war. Ein Blick auf die Homepage zeigte, dass die kleine, enge Hütte aus meiner Erinnerung erst vor kurzem wunderschön renoviert und angebaut wurde, und es waren noch genug Betten frei. Dazu kam auch noch der Vorteil, dass mir meine erste Corona-Impfung ab Freitag in Österreich den "geimpft"-Status einbringen würde und ich von lästigen Testpflichten befreit wäre.
So habe ich erst mal eine Nacht in Saalfelden und 3 Nächte auf der Hütte gebucht. Die weiteren Planungen würde ich dann spontan machen, je nach Wetter und Befindlichkeit.
Mittwoch
Am Mittwoch fahre ich noch schnell testen in die Statt, dann gondle ich mit der Bahn über Salzburg nach Saalfelden und gehe gemütlich zu meiner etwas außerhalb in Ramseiden gelegenen Pension Hartl. Das Zimmer ist super sauber, hat einen Balkon und ein kleines aber blitzblankes Bad. Die Pensionswirtin ist etwas überrascht, als ich ihr Angebot ausschlage, dass sie mir eine Touristenkarte für die kostenlose Bus-Benutzung ausstellt, aber ich bin an dem Tag erst 13000 Schritte gegangen, und ich bin ja im Wanderurlaub. Ich gehe nochmal zurück nach Saalfelden, kaufe mir eine Packung Duplo als Gipfelschoki und Notfallreserve, eine neue Landkarte vom Steinernen Meer (meine alte von 1998 hat Saalfelden ausgespart und die Ecke der Legende geopfert) sowie 2 Schnelltests für den Fall, dass ich auf deutschen Hütten nachweispflichtig werde, und lege mich kurz vor Sonnenuntergang schlafen. Draußen geht ein unangenehmer Wind, und es ist ein Gewitter angesagt. Das kommt dann auch, aber ich kriege schon nichts mehr davon mit.
Donnerstag
Als ich um 5:15 Uhr aufwache ist alles nass, die Sonne scheint und der Dampf steigt von den Wiesen auf. Ein sehr leckeres Frühstück und einen viel zu langen Ratsch mit den anderen Pensionsgästen später habe ich bezahlt, gepackt und mache mich auf den Weg zur Peter-Wiechenthaler-Hütte. Aus grauer Vorzeit erinnere ich mich noch an einen Weg, der knapp innerhalb des Waldes an den Bergen entlang nach Nordosten bis Bachwinkl führt, und meine alte Karte hatte den auch noch drin. Trotz Wegweiser zum Weg und altem Drehkreuz finde ich mich aber auf einer weglosen Kuhweide wieder. Da das Milchvieh sehr entspannt herumliegt, stapfe ich eine Weile auf und ab und halte Aussschau nach dem Weg. Irgendwann glaube ich, dass ich ihn gefunden habe, und folge ihm. Leider wird der Weg immer sumpfiger und die Huftritte immer tiefer. Nach 20 Minuten muss ich mir eingestehen, dass hier nichts zu holen ist, und dann empfiehlt mir auch noch ein Schild vom Österreichischen Militär ganz nachdrücklich, die Wiesen hier nicht zu betreten. Ich steige zum Weidezaun ab und quäle mich noch mal 10 Minuten durch tiefen Matsch, bis ich etwas unter mir eine Aussichtsbank samt zugehörigem Pfad zurück in die Zivilisation erspähe.
Ich folge dann dem Radweg weiter bis zum Parkplatz Bachwinkl, wo endlich der Aufstieg zur Hütte losgeht. Die Wolken über mir werden schon wieder dichter und es ist ziemlich schwül, aber der Weg ist angenehm zu gehen und gut in Schuss.
Die Höhenmeter schießen nur so nach oben, und obwohl ich ausgiebig Pausen mache, bin ich kurz vor Mittag schon oben. Die letzten 5 Minuten gehe ich tatsächlich noch im warmen Sommerregen. Auf der Hütte werde ich von der Wirtin Christiane freundlich empfangen und bin flugs eingeschekt. Ich bin allein im 2er-Zimmer und soll es auch bleiben. Ich gönne mir eine leckere Speckknödelsuppe während draußen die Schleusen aufgehen und die nach mir ankommenden fast wieder den Berg herunterspülen. Die Hütte ist vor 2 Jahren toll renoviert, mit einem lauschigen, modernen Gastraum als Anbau mit Panorama-Fenstern nach Süden und Westen so dass man weit auf den Alpenhauptkamm mit seinen vergletscherten Nordhängen und näher auf die östlichen Tiroler Alpen schauen kann.
Für eine Tour am Nachmittag ist es zu schmuddelig, deshalb verbringe ich viel Zeit auf der Terrasse unter dem Vordach, studiere den Wetterbericht und überlege mir, wie es die nächsten Tage weiter geht. Auch bei schlechtem Wetter ist die Aussicht hier famos.
In der Nacht gewittert es wieder, aber ich bekomme davon nichts mit. Mein 13°C-Schlafsack und mein geliebtes S2S-Kissen sind perfekt für die Hütte, und die Matratze ist angenehm fest.
Freitag
Die Nachwirkungen des vielen Regens hängen heute noch in der Luft und auf dem Boden. Gleich auf der anderen Seite des Alpenrands, nur 50km Luftlinie, ist wohl fast die Welt untergegangen, aber hier war es ein normales, intensives Sommergewitter. Für Ausflüge in schwieriges Terrain ist es trotzdem noch zu nass, deshalb beschließe ich beim Frühstück, durchs Steinerne Meer zum Kärlingerhaus am Funtensee zu gehen. Dort bin ich seit gefühlten Ewigkeiten einmal im Jahr, so dass es schon fast ein Ritual ist, dort vorbei zu schauen. Natürlich verratsche ich mich noch viel zu lange, so dass es schon nach 9 ist, also ich endlich los komme. Von der Hütte aus geht es erst einmal eher flach unterhalb des Persailhorns und Ahlhorns Hang entlang, bevor der Weg zunehmend steiler zur Weißbachscharte bis auf 2261 hoch führt. Fast steige ich auf einen Salamander, der regungslos in einer kleinen Kuhle in einer Stufe posiert.
Der Weg hier hat ein rotes Pünktchen, ist also als mittelschwer eingestuft. Ich muss ein wenig schmunzeln, denn es hat einige Seilversicherungen an ausgesetzten Stellen, Geröll und nicht ganz einfache felsige Stufen. Näher am touristischen Wahnsinn des Königssees wäre er tiefschwarz.
Nach einer kurzen Pause auf der Scharte um die Aussicht zu genießen geht es dann zackig wieder 100hm über Geröll und fein drapiertes Blockwerk runter zum Praterstern, dem Wegkreuz, an dem zu den 3 Hütten im Steinernen Meer verzweigt wird, dem Ingolstädter Haus, dem Riemannhaus und dem Kärlingerhaus. Letzteres liegt gerade voraus, und der Weg führt quer durch die Karstwüste. Rund herum liegen gefrorene Wellen aus Kalkstein, und in langen Jahrtausenden hat das Wasser tiefe Furchen hinein geschnitten. Dort wo Gras und Blumen wachsen ist die Humusschicht nur dünn, und eine Herde genügsamer Schafe tut ihres dazu diese Mondlandschaft zu erhalten. Ihr Blöken ist über Kilometer zu hören.
Mein Weg windet sich angenehm über den rund geschliffenen Fels dahin. Es braucht gute Sohlen, dann fliegen die Füße über den Untergrund und finden nur durch Reibung ihren Halt.
Zwischendurch muss ich einen kleinen Umweg über den Schrofenhang machen, weil auf dem Steig eine Schafmama ihren zwei oder drei Tage alten Nachwuchs bewacht und mich das mit nachdrücklichem Huf-Klopfen und tiefem Mähen wissen lässt.
In langsam Auf und Ab durch bizzarre Felsen und vereinzelte, knorrige Überreste von Bäumen geht es langsam tiefer, bis ich mich nach einer knappen Stunde dem Hirschtörl nähere, wo ich auf den Weg vom Hundstodgatterl einschwenke, der ins Wimbachgries, das wieder eine ganz andere Art von Wüste ist, hinüber führt. Ich gehe weiter durch lichten Wald und lege die letzten 200hm über einen schlüpfrigen Steig zurück. Kaum verlasse ich die Bäume, füllt sich die Luft mit dem Pfeifen der Murmeltiere. Die regenreichen Wochen haben ihnen gut getan. So wohlgenährt sehen sie in anderen Jahren erst im August aus.
Wohlgenährt fühle ich mich auch nach einer guten Portion Bratkartoffeln mit Spiegelei und einem hochgradig isotonischen Radler. Die Sonne ist mir heute leider nicht wohl gesonnen und lässt den Funtensee im Schatten liegen.
Nach ein wenig Fachsimpelei über die verschiedenen Wege und Berge in dieser Ecke mit einem anderen "Wiederholungstäter" und einem leckeren Stammgästeschnapps (vielen Dank, Marion!) mache ich mich wieder auf die Socken. Es ist schon 14:30, und um 17:50 wartet ein Schnitzel auf mich. Die offizielle Gehtzeit sind 3:30, und ich bin ja im Moment nicht gerade fit. Zum Glück fallen mir mangels Training nur die Aufstiege etwas schwerer. Zurück sind es etwa 800m davon, und 700m wieder runter. Trotzdem muss ich zwischendurch nochmal etwas mit den Schafen plaudern. Denen geht Corona z.B. komplett am Fell vorbei, und von Maskenfplicht haben sie noch nie etwas gehört. Zwei weiße Lämmer hüpfen wild im Kreis umeinander von Fels zu Fels und haben eine riesen Gaudi dabei während Mama Schaf versucht, die beiden weiter vom Weg weg zu locken. Warum nur muss ich gerade an meine beiden kleinen Neffen denken?
Die letzten Meter hoch zur Scharte muss ich dann ein wenig schnaufen, und als ich oben bin, kommt auch die Sonne raus. Trotzdem lasse ich die Füße laufen so gut es geht und komme auch mit 15 Minuten Puffer an der Hütte an. Das erste Radler verdunstet auf dem Weg vom Glas in den Mund, und die zwei Schnitzel sind super lecker. Für die Nachspeise habe ich keinen Platz mehr, aber ein Espresso geht immer.
Nach einer lohnenswerten Investition von 3€ in eine Duschmarke bin ich dann auch wieder olfaktorisch präsentabel. Ich plausche noch mit anderen Gästen, schaue mir den Sonnenuntergang bei einem leckeren Glas Wein an und krabble als es dunkel wird glücklich und müde in meinen Schlafsack.
Ich hatte ja ursprünglich 3 Nächte hier gebucht, aber es wäre kein Problem, auch etwas länger zu bleiben. Während ich langsam in den Schlaf sinke, steigt die Überzeugung, dass ich das tun sollte. Seit Jahren bin ich eigentlich immer auf Tour von Hütte zu Hütte, oder von einem Platz fürs Zelt zum nächsten. Am selben Ort zu bleiben und Abends wieder dorthin zurück zu kommen fühlt sich schon fast fremd an, aber hier taugt es mir. Die Hütte, das Team dort, und die Gäste, das ganze Paket stimmt, und vielleicht ist ja gerade jetzt ein guter Zeitpunkt zu entschleunigen.
...Fortsetzung folgt...
- kormoran
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- Wohnort: München
- Interessen: *
Berge: Hochtouren, Skitouren, Bergtouren, leichte Klettertouren, Klettersteige
sonst: Reisen, Radfahren, Musik (Klavier & Komposition)
https://www.dunn.de/composing/komposition.html - Kontaktdaten:
Re: Ein paar Tage im Steinernen Meer / Juli 2021 / Peter-Wiechenthaler-Hütte
Hi BitPoet,
super Fotos! Schleppst Du (wie ich) meistens eine größere Kamera mit auf Tour, oder benutzt Du ein sehr gutes Nachbearbeitungs-Programm für Handy-Fotos? Es sieht aber schon sehr nach einer guten Kamera aus.
Ciao, Alex
super Fotos! Schleppst Du (wie ich) meistens eine größere Kamera mit auf Tour, oder benutzt Du ein sehr gutes Nachbearbeitungs-Programm für Handy-Fotos? Es sieht aber schon sehr nach einer guten Kamera aus.
Ciao, Alex
- BitPoet
- Beiträge: 36
- Registriert: 17. Jun 2018, 18:46
- Interessen: Langstreckenwandern, Schreiben, Lesen, Kochen (und natürlich Essen...). Ja, ich bin ein Genussmensch :-)
Re: Ein paar Tage im Steinernen Meer / Juli 2021 / Peter-Wiechenthaler-Hütte
Hi Alex,
danke! Die meisten Photos mache ich mit dem iPhone. Die hier sind alle damit geschossen und nicht einmal nachbearbeitet, nur in der Größe runter konvertiert. Mit Lightroom ließe sich noch etwas mehr rausholen. Für schlechte Lichtverhältnisse und entferntere Motive habe ich noch eine Canon G7 X Mark III, da bin ich aber noch gar nicht dazu gekommen die Aufnahmen von der Tour durch den RAW Konverter zu jagen. Auf kurze Touren nehme ich gelegentlich die große Nikon DSLR mit dem Tamron 28-300 und das Stativ mit, ist aber jetzt auch schon eine Weile her.
Grüße
Christian
danke! Die meisten Photos mache ich mit dem iPhone. Die hier sind alle damit geschossen und nicht einmal nachbearbeitet, nur in der Größe runter konvertiert. Mit Lightroom ließe sich noch etwas mehr rausholen. Für schlechte Lichtverhältnisse und entferntere Motive habe ich noch eine Canon G7 X Mark III, da bin ich aber noch gar nicht dazu gekommen die Aufnahmen von der Tour durch den RAW Konverter zu jagen. Auf kurze Touren nehme ich gelegentlich die große Nikon DSLR mit dem Tamron 28-300 und das Stativ mit, ist aber jetzt auch schon eine Weile her.
Grüße
Christian
- BitPoet
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- Registriert: 17. Jun 2018, 18:46
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Re: Ein paar Tage im Steinernen Meer / Juli 2021 / Peter-Wiechenthaler-Hütte
Fortsetzung:
Samstag
Der Wetterbericht hat Kaiserwetter angesagt, und genau so kommt es auch. Ich schnappe mir schon vor der offiziellen Frühstückszeit einen Kaffee, ratsche mit der Hüttenwirtin und genieße die Aussicht auf die glühenden 3000er im Süden. Es verspricht ein warmer Tag zu werden, heute zeigt das Thermometer an der Hauswand schon vor 6:00 Uhr 18°C an, also brauche ich nicht zu viele Klamotten mitzunehmen. Eigentlich fungiert der Rucksack heute nur als Halterung für die Wasserflaschen, das Handy und die Kamera.
Besser könnte das Wetter für eine Gratwanderung nicht sein. Es geht hoch auf das Persailhorn und von dort weiter aufs Mitterhorn auf dem Saalfeldener Höhenweg, und dort zweige ich dann nach Norden und folge dem Kamm bis zur schon bekannten Weißbachscharte. Vier offizielle Gipfel liegen dabei auf dem Weg, das Persailhorn mit 2347m der Hausberg der Hütte, dahinter das Mitterhorn mit 2491m, und nördlich davon das Ahlhorn 2467m und der Schartenkopf mit 2308m. Zuerst geht es ein Stück hoch durch Latschenfelder, über denen schroff und imposant das Persailhorn thront. Es gibt drei Wege hinauf, im Norden der Wildentagsteig und im Süden der Südwandsteig sind offizielle Sportklettersteige im Schwierigkeitsgrad C (offiziell B/C), entsprechend trifft man viele Wanderer mit Helm und Set. Ich wollte das Gewicht nicht herum schleppen und nehme den Normalweg, was aber keinesfalls bedeutet, dass ich nicht Hand an den Fels legen darf. Etwas links vom Einsteig geht es steil über geneigte Bänder und hohe Stufen. Auch hier sichern Stahlseile die ein oder andere knifflige Stelle, so mancher Schritt ist nur mit Reibung zu meistern, und es macht durchaus Sinn den Hintern nah am Hang zu halten. Ein paar Bergdohlen kreisen über mir und kommentieren meine Bemühungen.
Nichts bringt einen mehr ins Hier und Jetzt als solche Touren, auf denen jeder Schritt sitzen muss, jeder Handgriff erst mal prüfen muss, ob der Fels auch hält. Links und rechts geht es fast senkrecht hunderte Meter hinab, so dass ausrutschen das letzte wäre, was man macht. Ab und an erhasche ich Blicke in einen der Klettersteige, wo sich andere mit viel Kraft an den Seilen hochziehen. Auf der Normalroute bin ich fast allein unterwegs und brauche mir keine Gedanken darüber zu machen, ob ich mir unter dem Stahlseil die Finger einklemme. Die Sonne strahlt, der Blick wandert immer mal wieder, und meine Mundwinkel schmerzen fast vor lauter Grinsen. Freiheit intravenös. Hier sind nur der Fels und ich, alle anderen Gedanken perlen von mir ab, und ich merke wie ich tiefer atme, stärker rieche, schärfer sehe.
Viel zu bald schon zweigt der Südwandklettersteig wieder auf den Grat und es sind nur noch wenige Meter bis ich punkt 10 Uhr am Gipfel mit seiner oft fotografierten Madonna ankomme, die über Saalfelden wacht. Von hier kann das Auge weit schweifen und alle prominenten Gipfel der Berchtesgadener und Salzburger Alpen erspähen, vom Hundstod und Watzmann bis zum Hochkönig, dazwischen die Königsseer Bekannten wie Schneibstein und Feuerpalfen, sowie Funtenseetauern und die Schönfeldspitze, mit der ich wetterbedingt noch immer eine Rechnung offen habe.
Es geht nur knapp hundert Höhenmeter hinunter bevor mich die Markierungen zum Mitterhorn hoch führen. Der Wind frischt jetzt etwas auf, und wieder dürfen die Hände an den Fels. Fast toujours geht es auf den kantigen Grat hoch, und die Zeit vergeht wie im Flug.
Ich zweige Richtung Scharte ab und gehe und kletter weiter auf und ab. Kurze, grasige Flächen laden zu einer kurzen Rast ein, dann geht es wieder auf und ab über schroffe Türme aus Fels. Immer wieder öffnet sich der Blick weit über das Steinerne Meer.
Ich blicke zurück vom Ahlhorn und mache eine ausgedehnte Mittagspause mit Banane und Duplo, lasse mir die Sonne auf den kaum noch vorhandenen Pelz scheinen und genieße mit allen Sinnen. Etwas unter mir zischt ein Segelflugzeug auf der Suche nach Thermik ein paar mal vorbei, findet aber kaum welche und dreht dann in Richtung Leogang ab, wo die Aufwinde besser zu sein scheinen. Meine Mundwinkel fangen tatsächlich an zu schmerzen. Hier oben zu sein, nur durch eigene Muskelkraft an diesen perfekten Platz gehoben, ist ein unbezahlbares Privileg, und für einen Augenblick treibt es mir Tränen in die Augen. So viel Anspannung, die ich schon gar nicht mehr gespürt habe, fällt von mir ab, Zukunftsängste und Druck, meine Ziele zu erreichen, sind plötzlich auf einen Schlag weg und machen Platz für intensive Momente.
Nur widerwillig raffe ich mich wieder auf, aber schnell bin ich wieder im Fluss, ziehe mich hoch, genieße die zwei oder drei Stellen, an denen ich mich sogar dynamisch über senkrechte Stufen nach oben schwingen darf während Schwebfliegen neugierig mein rotes Shirt untersuchen. Immer wieder sieht es so aus, als ob ich bald das Ende des Grats erreicht habe, aber zum Glück kommt noch ein Türmchen, und noch eins, bis ich die letzte mit einem Gipfelkreuz markierte Erhebung erreiche.
Vom Schartenkopf sind es nur noch drei kleinere Türmchen, und dann bin ich tatsächlich am Wegweiser angekommen und es geht nur noch bergab zurück zur Hütte. Ich fliege zurück, meine Fußsohlen jetzt so viel sicherer als am Tag zuvor, und bin vor 15:30 schon wieder zurück, trotz vieler Pausen um die Aussicht zu genießen.
Auf der Terrasse bin ich bald in Diskussionen um Touren und Schwierigkeiten vertieft, und die Zeit vergeht auch hier wie im Flug. Nach einer wunderbaren Dusche und einer fantastischen Lasagne plane ich die nächsten Tage. Ich werde definitiv noch zwei Nächte dran hängen. Ab Dienstag Abend soll das Wetter ziemlich unangenehm werden, aber die Zeit bis dahin will ich noch auskosten.
...Fortsetzung folgt...
Samstag
Der Wetterbericht hat Kaiserwetter angesagt, und genau so kommt es auch. Ich schnappe mir schon vor der offiziellen Frühstückszeit einen Kaffee, ratsche mit der Hüttenwirtin und genieße die Aussicht auf die glühenden 3000er im Süden. Es verspricht ein warmer Tag zu werden, heute zeigt das Thermometer an der Hauswand schon vor 6:00 Uhr 18°C an, also brauche ich nicht zu viele Klamotten mitzunehmen. Eigentlich fungiert der Rucksack heute nur als Halterung für die Wasserflaschen, das Handy und die Kamera.
Besser könnte das Wetter für eine Gratwanderung nicht sein. Es geht hoch auf das Persailhorn und von dort weiter aufs Mitterhorn auf dem Saalfeldener Höhenweg, und dort zweige ich dann nach Norden und folge dem Kamm bis zur schon bekannten Weißbachscharte. Vier offizielle Gipfel liegen dabei auf dem Weg, das Persailhorn mit 2347m der Hausberg der Hütte, dahinter das Mitterhorn mit 2491m, und nördlich davon das Ahlhorn 2467m und der Schartenkopf mit 2308m. Zuerst geht es ein Stück hoch durch Latschenfelder, über denen schroff und imposant das Persailhorn thront. Es gibt drei Wege hinauf, im Norden der Wildentagsteig und im Süden der Südwandsteig sind offizielle Sportklettersteige im Schwierigkeitsgrad C (offiziell B/C), entsprechend trifft man viele Wanderer mit Helm und Set. Ich wollte das Gewicht nicht herum schleppen und nehme den Normalweg, was aber keinesfalls bedeutet, dass ich nicht Hand an den Fels legen darf. Etwas links vom Einsteig geht es steil über geneigte Bänder und hohe Stufen. Auch hier sichern Stahlseile die ein oder andere knifflige Stelle, so mancher Schritt ist nur mit Reibung zu meistern, und es macht durchaus Sinn den Hintern nah am Hang zu halten. Ein paar Bergdohlen kreisen über mir und kommentieren meine Bemühungen.
Nichts bringt einen mehr ins Hier und Jetzt als solche Touren, auf denen jeder Schritt sitzen muss, jeder Handgriff erst mal prüfen muss, ob der Fels auch hält. Links und rechts geht es fast senkrecht hunderte Meter hinab, so dass ausrutschen das letzte wäre, was man macht. Ab und an erhasche ich Blicke in einen der Klettersteige, wo sich andere mit viel Kraft an den Seilen hochziehen. Auf der Normalroute bin ich fast allein unterwegs und brauche mir keine Gedanken darüber zu machen, ob ich mir unter dem Stahlseil die Finger einklemme. Die Sonne strahlt, der Blick wandert immer mal wieder, und meine Mundwinkel schmerzen fast vor lauter Grinsen. Freiheit intravenös. Hier sind nur der Fels und ich, alle anderen Gedanken perlen von mir ab, und ich merke wie ich tiefer atme, stärker rieche, schärfer sehe.
Viel zu bald schon zweigt der Südwandklettersteig wieder auf den Grat und es sind nur noch wenige Meter bis ich punkt 10 Uhr am Gipfel mit seiner oft fotografierten Madonna ankomme, die über Saalfelden wacht. Von hier kann das Auge weit schweifen und alle prominenten Gipfel der Berchtesgadener und Salzburger Alpen erspähen, vom Hundstod und Watzmann bis zum Hochkönig, dazwischen die Königsseer Bekannten wie Schneibstein und Feuerpalfen, sowie Funtenseetauern und die Schönfeldspitze, mit der ich wetterbedingt noch immer eine Rechnung offen habe.
Es geht nur knapp hundert Höhenmeter hinunter bevor mich die Markierungen zum Mitterhorn hoch führen. Der Wind frischt jetzt etwas auf, und wieder dürfen die Hände an den Fels. Fast toujours geht es auf den kantigen Grat hoch, und die Zeit vergeht wie im Flug.
Ich zweige Richtung Scharte ab und gehe und kletter weiter auf und ab. Kurze, grasige Flächen laden zu einer kurzen Rast ein, dann geht es wieder auf und ab über schroffe Türme aus Fels. Immer wieder öffnet sich der Blick weit über das Steinerne Meer.
Ich blicke zurück vom Ahlhorn und mache eine ausgedehnte Mittagspause mit Banane und Duplo, lasse mir die Sonne auf den kaum noch vorhandenen Pelz scheinen und genieße mit allen Sinnen. Etwas unter mir zischt ein Segelflugzeug auf der Suche nach Thermik ein paar mal vorbei, findet aber kaum welche und dreht dann in Richtung Leogang ab, wo die Aufwinde besser zu sein scheinen. Meine Mundwinkel fangen tatsächlich an zu schmerzen. Hier oben zu sein, nur durch eigene Muskelkraft an diesen perfekten Platz gehoben, ist ein unbezahlbares Privileg, und für einen Augenblick treibt es mir Tränen in die Augen. So viel Anspannung, die ich schon gar nicht mehr gespürt habe, fällt von mir ab, Zukunftsängste und Druck, meine Ziele zu erreichen, sind plötzlich auf einen Schlag weg und machen Platz für intensive Momente.
Nur widerwillig raffe ich mich wieder auf, aber schnell bin ich wieder im Fluss, ziehe mich hoch, genieße die zwei oder drei Stellen, an denen ich mich sogar dynamisch über senkrechte Stufen nach oben schwingen darf während Schwebfliegen neugierig mein rotes Shirt untersuchen. Immer wieder sieht es so aus, als ob ich bald das Ende des Grats erreicht habe, aber zum Glück kommt noch ein Türmchen, und noch eins, bis ich die letzte mit einem Gipfelkreuz markierte Erhebung erreiche.
Vom Schartenkopf sind es nur noch drei kleinere Türmchen, und dann bin ich tatsächlich am Wegweiser angekommen und es geht nur noch bergab zurück zur Hütte. Ich fliege zurück, meine Fußsohlen jetzt so viel sicherer als am Tag zuvor, und bin vor 15:30 schon wieder zurück, trotz vieler Pausen um die Aussicht zu genießen.
Auf der Terrasse bin ich bald in Diskussionen um Touren und Schwierigkeiten vertieft, und die Zeit vergeht auch hier wie im Flug. Nach einer wunderbaren Dusche und einer fantastischen Lasagne plane ich die nächsten Tage. Ich werde definitiv noch zwei Nächte dran hängen. Ab Dienstag Abend soll das Wetter ziemlich unangenehm werden, aber die Zeit bis dahin will ich noch auskosten.
...Fortsetzung folgt...
- Lampi
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Re: Ein paar Tage im Steinernen Meer / Juli 2021 / Peter-Wiechenthaler-Hütte
Die erste Hüttentour meines Lebens - kreuz & Quer durchs Steinerne Meer
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Lamπ[tm] auf Tour
Liebe Grüße von Lamл[tm] - Nur echt mit dem Pi
Disc Laimer
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