Alpeltalsteig übers Hohe Brett zum Schneibsteinhaus

Habt ihr eine schöne Tour gemacht, oder möchtet einfach euer Bergerlebnis mit anderen teilen? Dann passt das hier rein.
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BitPoet
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Alpeltalsteig übers Hohe Brett zum Schneibsteinhaus

Beitrag von BitPoet » 21. Jul 2020, 17:41

Es gibt viele Touren rund um den Königssee, und so einige davon kenne ich mittlerweile wie meine Hosentasche, aber trotzdem lässt sich immer wieder ein neues Kleinod finden, so wie diese Tour. Auf der Suche nach einer tagesfüllenden Route abseits vom Trubel der gerade in Heerscharen einfallenden Corona-vertriebenen Fernreisenden bin ich über den Alpeltalsteig gestoßen, der mitten im "Hotspot" des Wanderparkplatz Hinterbrand oberhalb von Schönau am Königssee in die karstige Wildnis am Fuß des Hohen Göll führt. Der Göll steht auch schon lange auf der Liste von Gipfeln, die ich mal wieder von oben sehen möchte, aber den beliebten Weg über den Mannlgrat wollte ich mir eben in der touristischen Hochsaison nicht antun.

Wie immer hinke ich schon an der Haustür meinem Zeitplan hinterher, aber kurz nach 8 ist mein Auto auf dem kleinen Parkplatz direkt neben dem Einstieg zum Alpeltalsteig auf ziemlich genau 1100m Höhe geparkt und der Rucksack geschultert. Am Tag zuvor hat es hier noch gegossen wie aus Kübeln, und der vorhergesagte Sonnenschein hat sich nach hinten vertagt. Das soll mich aber nicht von meiner Tour abhalten. Der Pfad beginnt malerisch durch den Wald aufwärts, und man macht schnell Höhenmeter. Kleine Bächlein glucksen an mir vorbei, während sich der Weg über schlüpfrige Steine und Wurzelweg nach oben windet. Der Blick zurück enthüllt in einem kurzen, lichten Moment den Blick ins Tal hinunter.

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Nach einem rutschigen Stück über eine steile Kies-Rinne erreiche ich dann auch schon die Baumgrenze.

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Der Weg flacht auf 1900m Höhe ab, und ich betrete die Hochebene des "Umgäng". Jetzt wird es auch deutlich felsiger. Ein altes Blech eines Flugzeugs aus dem 2. Weltkrieg erinnert neben dem Weg an wenig rühmliche Zeiten in dieser Region. Ich setze mich ein wenig hin, sinniere über den Wahnsinn von damals und die Frage, wo die Zukunft hinführt. Der Nebel reißt passend ein wenig auf, und ich sehe den Pfad, der sich über die Hochfläche durch die letzten grünen Flächen windet.

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Bald schon habe ich nur noch harten, ausgewaschenen Fels unter meinen Füßen. Bis vor 200 Jahren hat sich hier noch ein Gletscher herunter geschoben, und seine Spuren haben metertiefe Furchen in den Stein gegraben und oft nur scharfe Klingen stehen gelassen. Heute, mit all dem Regen und Nebel, ist diese Steinwüste gefüllt mit Gluckern und Glucksen. Tausende kleine Bäche rieseln unter meine Füßen talwärts während ich über die Einschnitte balanciere. Die nächste Markierung ist oft nur zu erahnen, und mehr als einmal verpasse ich sie und muss ich wieder einige Meter zurück. Es ist viel Kletterei dabei, T3-Gelände, in dem man nicht tief, aber umso härter fallen würde.

Der Nebel wird immer dichter. Die ganze Konzentration ist im Hier und Jetzt. Es ist ein wenig schade, denke ich für einen Moment, dass ich dieses fehlen von Sicht nicht in einem Foto teilen kann. Ich schmunzle als ich überlege, meinen seit Ewigkeiten jungfräulichen Instagram-Account mit einem Foto von Nebel zu schmücken. Alpeltal, 2100m, wie man sieht, sieht man nichts. Es ist unheimlich entspannend, obwohl jeder Schritt und Griff wohl platziert sein muss. Hier gibt es keinerlei Ablenkung.

Dann komme ich langsam in Richtung des Kamms auf knapp 2300m, und ich habe zum ersten Mal etwas Hoffnung, dass ich mit etwas Aussicht belohnt werden könnte. Kurz blinzelt die Sonne durch ein Loch in den dichten Nebelschwaden, und im Blick zurück enthüllt sich die ganze Wildheit dieser fast vergessenen Ecke. Ein paar Altschneefelder erinnern noch an die Gletscher-Zeiten.

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Der Göll, stelle ich fest, wird mir heute entgehen. Die Feuchtigkeit und schlechte Sicht haben mich eine gute Stunde gekostet, und ich will nicht Hetzen. Des halb zweige ich kurz vor dem Kamm nach Rechts ab. Unterhalb der Archenköpfe vorbei geht es über ein mäßig steiles und gut aufgefirntes Schneefeld, dann klettere ich auf den Grat selbst hoch. Hier überholt mich eine kleine Gruppe, die wohl auf dem Rückweg vom Göll ist. Ich lasse mir Zeit, mache noch eine kleine Pause, esse etwas und hoffe vergeblich auf einen fotogenen Moment.

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Jetzt windet sich der Weg immer auf oder direkt am Grad entlang. Links und rechts geht es steil hinunter, so dass ausrutschen hier keine Option ist. Einige kleine Kletterstellen sind dabei, wobei die gefährlichsten mit kurzen Stahlseilen oder Stangen entschärft sind. Ich überschreite den Brettriedel und kleinere Kuppen in einem stetigen Auf und Ab.

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Dann kommt auch endlich die sanfte Kuppe des Hohen Brettes in Sicht. Ich bin ganz alleine hier oben, was an einem Wochenende im Sommer Seltenheitswert hat, lasse den Wind über mich streichen und strecke meine Beine ein wenig aus. Nicht einmal die Bergdohlen lassen sich heute blicken, die sonst gierig auf die Krümel der Touristen lauern.

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Als ich mich wieder auf den Weg mache, kommt doch ein mit Fotoapparaten bewaffnetes junges Pärchen vom Carl-von-Stahl-Haus hoch. Schnell wird es auf dem Weg hinunter wieder grün um mich herum, aber es sind immer noch viele hohe Tritte zu meistern und feines Geröll, das mir die Beine wegziehen will. Letztere werden auch langsam schwer, aber unter mir erkenne ich zwischen den Nebelschwaden schon den Weg zur Hütte.

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Endlich kapitulieren die Nebelwolken vor der Sonne. Nach einer knappen Stunde komme ich am Schneibsteinhaus an, gerade rechtzeitig um meinen Wunsch fürs Abendessen zu äußern. Die Zeit reicht gerade so, die Füße und andere verschwitzte Körperteile im Bach abzufrischen - Corona-bedingte Staus an den Sanitäreinrichtungen sind zur Zeit unumgänglich - meine Sachen aufs Lager zu bringen und das Bett zu machen, mit eigenem Leintuch und Sommerschlafsack, versteht sich, dazu mein wichtigster Ausrüstungsgegenstand, das aufblasbare Kissen. Das Lager habe ich für mich allein.

Ich esse als einziger draußen, genieße die Luft und die letzten Sonnenstrahlen, die sich endlich durch die Wolken gekämpft haben, schaffe es gerade so, meine 3 Gänge zu verdrücken und lasse die Wanderung noch mal Revue passieren.

Ich war ziemlich genau 9 Stunden unterwegs. Bei trockenem Wetter und guter Sicht wäre ich deutlich schneller gewesen, aber 7 Stunden sollte man als Normalsterbliche/r für die Tour auf alle Fälle einplanen, eine gute Stunde mehr, wenn der Göll auch mitgenommen werden soll. Der Göll wird aber auch ein anderes Mal noch dort stehen, wo er ist. Das Navi sagt, ich habe auch ohne ihn ca. 15km zurückgelegt und dabei rund 1600hm im Aufstieg und gute 900hm im Abstieg zurückgelegt. Das GPS im Smartphone, das ich interessehalber ein paar Mal angeworfen hatte, hat mich manchmal einen ganzen Kilometer vom Weg geortet, was nicht gerade Vertrauen weckt.

Insgesamt eine tolle Tour, nicht ohne Anspruch, die an einzelnen Stellen schon ein fast in T4 rein geht und für ungeübte oder nicht schwindelfreie nicht zu empfehlen ist. Alle, die mit ausgesetzten Stellen kein Problem haben und gerne auch mal die Hände auch mal zu Hilfe nehmen, werden dort eine tolle Zeit haben. Bei gutem Wetter winkt dazu noch eine wunderbare Aussicht.



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